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Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Titel: Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)
Autoren: Herbert Hintersteininger
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durch eigene Willenskraft. Wohl wird der Eigenwille beim Militär heruntergedrückt, aber doch nur in gewissen Dingen.
    In anderen Sachen muss man ihn behalten. Dies zustande zu bringen, ist vielleicht schwer aber immerhin ein Erfolg. Was mich betrifft, so muss ich leider sagen, daß ich mich noch nicht einmal bemüht habe, meinen legalen Willen zu stärken durch rasch gefasste Entschlüsse und exakte Ausführung. Die Trägheit, die mich daran hindert, ist eine der Folgen dieser Willensabtötung, die Hand in Hand mit der gewollten geht.
    Als ich noch in Goslar war, spürte ich plötzlich eine heftige Erregung. Ich dachte an irgendein Unglück, das Kurtl zugestoßen sei. Als mir nun Mutter von Tonis ungewissem Schicksal schrieb, wußte ich, das dies Zusammenhänge hat. Ich habe mir nur gemerkt, daß es ½ 8 Uhr abends war. Ich kann nicht glauben, Toni als Bruder verloren zu haben. Wohl schnürte mir der Brief der Mutter die Kehle zu, aber daß er tot ist, glaube ich nicht.
     
     
    O.U. 8.10.42
     
    Vermisst! In russischer Gefangenschaft, wenn man noch hoffen darf. Ob man das wohl wünschen darf? Du Mutter, solltest unter Menschen gehen, die von dem Leid, das Dein Herz zernagt, nichts wissen. Die Leute, die Ihr Mitgefühl in Worten schön ausdrücken können, machen das Leid nur größer. Drum lass Dich nicht von den Leuten anfaseln, denn Mitgefühl ist es nicht, was die da haben, können sie auch gar nicht. Ihnen gebietet der Anstand, mitfühlende Worte teilnehmend herauszuquetschen. Die Mütter, denen es auch so ging, die können den Schmerz ermessen. Du hoffst nun Mutter, daß ich nicht nach Russland komme. Wenn ich an Dich denke, wollte ich das auch. Aber als Soldat und Mann darf ich das nicht. Denn Du mußt wissen, daß ich das rächen will, was man meinem Bruder angetan hat. Und das möchte ich möglichst schnell. Und wenn ich dabei auch umkomme; die Gewissheit kannst Du haben, daß ich meinen Bruder gerächt habe und daher auch mein Tod nicht umsonst ist.
     
     
     
    Angouleme 28.I.43
     
    Ich wollte mir immer Aufzeichnungen machen über meinen Einsatz in Südfrankreich. Aber zu viel hat sich inzwischen ereignet, als daß ich jetzt die Tatsachen alle datieren wollte. Ich musste mich in letzter Zeit ziemlich stark mit mir beschäftigen, denn ich sah wieder die Gezwungenheit meines Auftretens ein. Ich merkte wieder, daß ich mich zu wenig in der Gewalt habe und ich muss eingestehen, daß ich gar nicht den Wunsch habe, mich derzeit zu ändern. Es ist eben nicht vorteilhaft, wenn man zu minder behandelt wird für einen Fehler, der einem selbst am Unangenehmsten ist. Aber die Sturheit ergreift eben alle beim Militär. Jedes Vergehen wird eben bestraft, ohne daß man genauer hinsieht, ob es ein solches war. Ich kann es aber gar nicht gerecht beurteilen, weil ich mich nicht natürlich benehmen kann. Wenn ich nur wüsste, was ich dazu zu tun habe.
     
    Im Osten 12.VI.43
     
    Ich wollte da ein Tagebuch führen, ohne mir darüber ganz im Klaren zu sein, wie man so etwas macht. Ich habe es nur für mich geschrieben. Meist kann ich mich doch nur mit mir selber beschäftigen.
    Die mir Nahestehenden kann ich noch nicht zu meiner Zufriedenheit beurteilen. Drum will ich nur mir einmal auf die Schliche kommen. Mein Erzfehler ist die fehlende Männlichkeit. Damit sind aber unendliche Mängel verbunden. Das zuerst Anzustrebende ist wohl die Natürlichkeit (Wahrheit, Ablegen der Gezwungenheit des Künstlichen). Hart gegen sich selbst werden! Das Natürlich-werden ist ein kleiner Anfang. Du musst auch erfahren, was Du willst. Nicht stur das anstreben, was du dir zum Ziele gesetzt hast. Die Zufälle und unvorhergesehenen Begebenheiten einflechten und dem Geschick geschmeidig werden. Es ist schwer, sein Inneres zu erkennen, man wechselt nur zu schnell das Gemüt.
    Manchmal glaubt man klar denken zu können und denkt man dann, so ist`s mit dem klaren Sinn vorbei. Angeborener Edelmut ist bestimmt der Vollkommenheit näher, als der durch dauerndes Hämmern an sein Inneres, erworbene. So, wie der Schliff notwendig ist, um den Soldaten nicht verweichlichen zu lassen, so müsste der erworbene Edelmut dauernd bearbeitet werden. Es gibt aber auch geborene Soldaten. Sie benötigen das edle, starke Herz. Wer das hat, der wird eben überall seinen Mann stellen.
     
     
     
    7.8.43
     
    Im letzten Monat Einsatz an der Front. Langsam erreiche ich den Zustand, der notwendig ist, um es an der Front überhaupt auszuhalten, ohne aber kopflos oder
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