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Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)

Titel: Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)
Autoren: Herbert Hintersteininger
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muss. Manchesmal habe ich mir schon gedacht, daß diese Lücken daher stammen, daß ich schon zu früh auf eigene Beine gestellt war, oder mich nach dem Tode meines Vaters zu früh auf sie stellte. Meine Mutter war zu gut und ich tat meist nur das, was mir beliebte. Jetzt weiß ich erst, daß Willi recht hatte, als er mir sagte, ich hätte die beste Mutter. Ich habe es ihr auch noch nicht gesagt, es fällt mir eben schwer, meine früheren Fehler der Mutter einzugestehen.
    Ganz anders verhält sich die Sache mit Willi. Ich habe viel zu wenig seelische Erregungen, um das Schöne der Freundschaft ganz erleben zu dürfen; aber ich hoffe, daß dies nach meiner Ausbildung anders wird. Heimweh oder andere Sehnsucht nach  daheim habe ich bis jetzt noch nicht kennengelernt. Am meisten denke ich wohl an Mutter und die kleine Halolo.
    Wollte ich eine Reihe aufstellen, so müßte ich jetzt Toni aufführen. Wir beide stehen uns doch am nächsten, wenn wir auch verschiedene Wege gehen.
    Ich glaube, den richtigeren Weg, den wir uns beide ziemlich allein suchen mußten, habe ich früher erkannt. Trotzdem ist er selbstsicherer. Wie ich einmal beschaffen sein werde, kann ich mir noch gar nicht vorstellen.
    Wer zeigt mir denn, daß das ganze Leben nicht ein großer, ewiger Irrtum ist, in dem alles von Menschen Geschaffene nicht leer ist? Ich meine dabei das Leben innerhalb der ganzen Menschheit, besonders der Zivilisation. Der Sinn des Lebens innerhalb des Volkes liegt ganz klar. Leichter dürfte es sein, dies zu beantworten, wenn man vom Allgemeinen zum Besonderen kommt. Was hat der Mensch für Aufgaben, welche für sein Volk, welche für seine Sippe, welche für sich selbst!
     
     
     
    Goslar, 9.8.1942
     
    Gestern hatte ich eine der langentbehrten seelischen Erregungen. Dies kam mir erst nach dem Brief an Ilschen zur Besinnung, in dem ich mich für den vorhergegangenen entschuldigte.
    Im ersteren fragte ich sie ganz offen, warum sie mir nicht mehr schriebe. Ich vermutete, den Grund darin zu finden, daß ich ihr früher einmal ganz genau unser jetziges und mein früheres Verhältnis zueinander offenbarte. Nur meine heimlichsten Gefühle verschwieg ich aus Gründen der hoffenden Vernunft.
    Im anderen Brief gab ich ihr Antwort auf die Frage „wie es mir gehe“. Und wieder bemerkte ich, daß sie mir durch ihre Fragen den Weg zu manchen Erkenntnissen zeigt.
    Früher hatte ich eine ganz andere Vorstellung vom Soldatentum in der Garnison. Was ich jetzt so erlebe, kann ich gar nicht definieren. Beim Schreiben kam ich dann darauf, daß ich viel mehr an die Zukunft denke, d.h. an das, was ich mir in Zukunft erwarte, als an die Gegenwart oder gar an die Vergangenheit.
     
     
    Goslar, 12.8.42
     
    Hatte gerade wieder einen Augenblick, in dem mich das Soldatenleben so richtig erfasst und begeistert. Manchmal dringt bei den Kameraden die Kameradschaft durch, dann ist es eben schön; wenn sie auch nicht so geschult sind, wie es vom Volk der Zukunft verlangt werden müsste.
    Ich möchte fähig sein, ihnen das alles einzuführen, einige so zu machen, wie man später die Jugend machen muss, ihnen Ideale zu zeigen, an denen sie hängen und sie für diese zu begeistern – nur raus aus dem Alltag. Aber warum tue ich es nicht? Weil ich zu wenig Kenntnisse habe, ist nicht allein der Grund; meine Zurückhaltung, die mir immer noch sehr im Wege steht, verhindert, daß ich solch einen Plan fasse.
    Nun weiß ich auch, daß ich das Schöne des Soldatentums nicht im Kasernenleben suchte. Schön ist es, wenn ich die frühere Reife erlangt habe; wenn all das erreicht ist, was ich mir als Folge von der Härte des Kampfes versprochen habe.
     
     
    O.U. 5.10.1942
     
    Wie herrlich könnte es bei den Soldaten sein, wenn es so gekommen wäre, wie ich es mir ausgedacht habe. Aber ich glaubte, mich von den Kameraden weiter erziehen lassen zu können. Ich glaubte, hier Kerle anzutreffen, die mir überlegen sind. Ich wollte nur nehmen und muss wieder einmal einsehen, daß es so etwas nicht gibt. Vielleicht hat das Zusammenhang mit der Sturheit, von der man beim Militär so viel spricht? Was ist denn das eigentlich? Das Gleichgültigwerden im Dienst, das Verlieren der Selbständigkeit oder Unabhängigkeit auf geistigen Gebieten. Ist es eine Gefahr? Oder mehr ein Erziehungsmittel? Man verliert durch Sturheit wohl seine Ängste, zum Beispiel den Vorgesetzten gegenüber.
    Nein, jetzt weiß ich es, es ist eine Gefahr; will man kindliche Eigenschaften beseitigen, so nur
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