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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht
Autoren: Scott Westerfeld
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sich nicht so viele Gedanken darüber zu machen, was sie anziehen sollte.
      "Semiformell, semi formell", sagte sie, während ihre Augen durch den offenen Schrank wanderten und das Karussell hin- und herruckte, um mit Tallys unkoordinierten Augenmausklicks Schritt zu halten, was die Kleider an ihren Bügeln flattern ließ. Ja, "semi" war wirklich ein Pfuschwort.
      "Ist das überhaupt ein Wort?", fragte Tally laut. "Semi?" Es fühlte sich seltsam an in ihrem Mund, der von der letzten Nacht noch wie ausgedörrt war.
      "Nur ein halbes", sagte das Zimmer und hielt sich wahrscheinlich für sehr klug.
      "Na dann", murmelte Tally.
      Sie ließ sich auf ihre Bett fallen und starrte zur Decke hoch. Sie hatte ein Gefühl, als würde sich jeden Moment alles um sie herum zu drehen beginnen. Es war nicht fair, sich wegen eines halben Wortes so aufregen zu müssen. "Ich will, dass das weggeht", sagte sie.
      Das Zimmer verstand sie falsch und schob die Wand vor den Schrank. Tally fehlte die Energie zu erklären, dass sie eigentlich ihren Kater gemeint hatte, der sich wie ein übergewichtiges Tier selbigen Namens in ihrem Kopf breitmachte, schmollend und empfindlich und jeglicher Bewegung abgeneigt.
      Am Abend zuvor waren sie und Peris mit ein paar anderen Krims Eislaufen gegangen. Sie hatten die neue Bahn ausprobieren wollen, die über dem Nophretete-Stadion schwebte. Die Eisschicht, die von einem Gitter aus Hubstreben getragen wurde, war so dünn, dass man hindurchsehen konnte, und eine Horde kleiner Eismaschinen, die wie nervöse Wasserinsekten zwischen den Schlittschuhlaufenden hin und her schossen, sorgte dafür, dass es so blieb. Das Feuerwerk, das im darunterliegenden Stadion gezündet wurde, ließ das Eis erglühen wie schizoides Buntglas, das alle paar Sekunden seine Farben änderte.
      Sie hatten Bungeejacken tragen müssen, für den Fall, dass jemand durchbrach. Das passierte natürlich nie, aber die Vorstellung, dass die Welt jeden Moment mit einem plötzlichen "Knack" zersplittern könnte, hatte Tally jede Menge Champagner trinken lassen.
      Zane, der so etwas wie der Anführer der Krims war, hatte sich irgendwann gelangweilt und eine ganze Flasche über dem Eis ausgegossen. Er hatte gesagt, Alkohol habe eine niedrigere Gefriertemperatur als Wasser, deshalb könne es durchaus sein, dass auf diese Weise jemand zum Feuerwerk hinunterbefördert werde. Aber er hatte nicht genug ausgeleert, um Tally ihren heutigen Kater zu ersparen.
      Das Zimmer ließ das besondere Geräusch ertönen, das den Anruf einer der Krims ankündigte.
      "Hey."
      "Hey, Tally."
      "Shay-la!"Tally richtete sich mühevoll auf einem Ellbogen auf.
      "Ich brauche Hilfe!"
      "Die Party? Ja, ich weiß."
      "Was soll das überhaupt mit dem >semiformell      Shay lachte. "Tally-wa, du hast absolut keine Ahnung. Hast du das Ping nicht gekriegt?"
      "Welches Ping?"
      "Das ging schon vor Stunden raus."
      Tally warf einen Blick auf ihren Interface-Ring, der noch immer auf dem Nachttisch lag. Sie trug ihn nachts nie, eine alte Gewohnheit aus ihren Tagen als Ugly, als sie sich regelmäßig aus dem Haus geschlichen hatte. Der Ring pulsierte sanft und war noch auf lautlos gestellt, weil Tally ja geschlafen hatte. "Ach. Ich bin eben erst aufgewacht."
      "Na, dann vergiss die ganze Semikiste. Sie haben die Fete jetzt auf  >Kostüm< umgestellt. Wir müssen uns also etwas Ausgefallenes ausdenken!"
      Tally schaute auf die Uhr: Es war kurz vor fünf. "Was, in drei Stunden?"
      "Ja, ich weiß. Ich bin schon ganz verzweifelt. Das ist so peinlich. Kann ich runterkommen?"
      "Bitte."
      "In fünf?"
      "Klar doch. Bring Frühstück mit. Bis dann."
      Tally ließ ihren Kopf wieder auf das Kissen sinken. Das Bett wirbelte jetzt herum wie ein Hubbrett. Der Tag fing gerade erst an und ging doch schon zur Neige.
      Sie schob den Interface-Ring auf ihren Finger und hörte ärgerlich zu, wie das Ping ihr mitteilte, dass an diesem Abend nur Leute mit richtig prickelnden Kostümen zugelassen würden. Drei Stunden, um sich etwas Brauchbares zu überlegen, und alle anderen hatten schon einen Riesenvorsprung.
      Manchmal hatte sie das Gefühl, es wäre viel, viel leichter, eine echte Kriminelle zu sein.
            ***
      Shay brachte Frühstück: Hummeromelettes, Toast, Kartoffelpuffer, Maispfannkuchen. Trauben, Schokomuffins und Bloodies - mehr Essen, als eine ganze Packung Kalorienfresser vertilgen konnte. Das überladene Tablett wackelte in
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