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Verliebte Abenteuer

Verliebte Abenteuer

Titel: Verliebte Abenteuer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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genoß, sich zum erstenmal in seinem Leben unrasiert zu sehen.
    Percy schrieb: »Lieber Will! Bin hier angekommen. Schreie ›wonderful‹ und singe ein Halleluja. Ein süßes Kätzchen ist nämlich hier. Sie heißt Bebsy, hat zwar Krallen, aber die stutze ich ihr schon noch. Mein Zimmer ist eine Mischung aus Museum und Rumpelkammer. Ich habe den Alten, den Butler, fabelhaft eingeseift und ihm von dir einen Roman erzählt, der ihn ganz heiß auf dich machte. Er hat sich darauf eingestellt, ein Wundertier in dir zu erleben. Du bist Pferdebändiger, Rennfahrer, Zureiter, Monteur, Trainer und was weiß ich sonst noch alles. Der Alte brach bald in Tränen darüber aus, dich erst am nächsten Ersten zu bekommen. Vielleicht schreibt er dir einen Liebesbrief – ihm scheint das wenigstens vorzuschweben. Und dünge fleißig deinen Bart. Übe vor dem Spiegel demütige Blicke und ergebenes Kopfnicken. Ich werde in der Zwischenzeit wie ein Fettauge auf der Suppe schwimmen und bemüht sein, eine gewisse Bebsy zu zähmen. Good bye, mein Freund! Dein Percy.«
    Dann räumte er seinen Pappekoffer aus, entkleidete sich und legte sich ins Bett. Mit Genuß aß er einige kandierte Datteln aus einem Holzkästchen und las dabei in einem dicken Buch. Ab und zu kratzte er sich den Kopf und murmelte: »Das soll ein Mensch verstehen –«
    Die Lektüre machte ihm also Schwierigkeiten und wirkte deshalb äußerst ermüdend auf ihn. Mit einem tiefen Seufzer legte er sich zurück und schlief ein. Er merkte noch nicht einmal, wie das Buch auf den Boden plumpste. Dort klappte es traurig zusammen und blieb still liegen.
    Es war ein ›Leitfaden der praktischen Gartenkunde‹.

Das dritte Kapitel,
in dem William Ashborne eine fatale Entdeckung macht
    Wenn der Leser bis hierher gekommen ist und, angeregt durch Percys Schlummer, nicht auch sanft entschlafen ist, wird er sich sicher noch daran erinnern können, daß William Ashborne der Sohn eines Lords ist. Solche Lords verfügen über eine umfangreiche Verwandschaft, und alle diese Onkels und Tanten, Vettern und Großvettern bestehen auf ihrem Recht, einem einsam gewordenen Angehörigen ihrer feudalen Sippe mit Rat und Tat – meistens aber nur mit Rat – zur Seite zu stehen. Diese rührende Fürsorge wurde durch den Umstand verstärkt, daß Ashborne ein Dichter war, zum Entsetzen der Familie, und daß man in ihm so das schwarze Schaf des ganzen Clans sah. Onkel Paddy, der nie ein Buch in die Hand nahm, behauptete, daß Dichten nahe am Irrsinn läge, und wenn man gar ein lyrischer Dichter sei, wären die Anzeichen einer langsamen Gehirnerweichung nicht mehr fern.
    So gehörte also die ganze fürsorgende Liebe der großen Familie allein William Ashborne, der freilich große Teile des Jahres damit zubrachte, sich diesem Interesse zu entziehen.
    In geradezu rührender Weise umsorgte die alte Lady Mary Abbot ihren über sieben Querverbindungen mit ihr verwandten Neffen, und immer, wenn ein Schreiben von ihr eintraf, in dem sie ihn zu sich nach Lancaster einlud, verdrückte sich Ashborne, trat eine Reise an und ließ sich eine Zeitlang nicht mehr sehen.
    Heute nun, am schicksalhaften Tag, an dem der Brief Percys eintraf, brachte der Postbote auch einen Brief aus Lancaster. Und was Tante Abbot schrieb, das haute William einfach vom Stuhl. Eine nette Nichte habe sich zu Besuch für nächste Woche angesagt, teilte sie mit. Es wäre doch schön, wenn William auch kommen würde. Ihn erwarte nämlich auch noch ein Kunstgenuß. Und zwar sei ebenfalls die berühmte Sängerin Loretta Gower eingeladen, die man sicherlich zu einer kleinen Darbietung werde überreden können. »Weißt du übrigens«, schrieb Lady Mary, »daß Miss Gower mit mir ebenfalls verwandt ist? Allerdings nur entfernt. Sie nennt mich auch Tante.«
    Man muß das nun verstehen – Ashborne war in großen Nöten. Erstens ließ er sich einen Bart wachsen, was ihm durchaus kein reines Vergnügen bereitete; zweitens wollte er bei Loretta seine Dienstbotenstelle antreten, was die Gefahr heraufbeschwor, durch Beschluß des Familienrates in ein Irrenhaus eingewiesen zu werden; und drittens wäre es einfach unmöglich gewesen, Loretta bei Tante Mary gegenüberzutreten. Daß Loretta auch noch eine Verwandte der alten Abbot-Schlange war, machte alles nur noch komplizierter, und so wurde er nun ein Opfer jener Stimmung männlicher Ratlosigkeit, in der lediglich der Genuß von Alkohol der Seele noch etwas Halt bietet.
    Sie werden jetzt meinen, dieser
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