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Verliebt, verlobt und eingesargt

Verliebt, verlobt und eingesargt

Titel: Verliebt, verlobt und eingesargt
Autoren: Jason Dark
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als wollten sie die Leichen mit ihren langen Armen beschützen. Auf der Baumrinde glitzerte eine blaugraue Eisschicht. An manchen Stellen lag noch Schnee. Seine Oberfläche war hart gefroren.
    Den Hauptweg hatten wir sehr schnell verlassen und schritten über einen schmaleren Pfad weiter, der tiefer in das Gelände des Friedhofs hineinführte.
    Es war sehr dunkel und erinnerte schon an einen Tunnel. An gewissen Stellen hatten sich auch Dunstinseln gebildet, in denen sich die Kälte noch mehr konzentrierte.
    Susy war sehr wachsam, während ich einfach nur neben ihr herschritt und von der Umgebung bewußt nicht allzuviel mitbekam. Einmal blieb Susy stehen, ließ mich los und drehte sich scharf auf der Stelle herum.
    Was sie damit bezweckte, war mir unklar, weil ich die Bewegung selbst nicht nachvollzog.
    »Hast du es auch gehört?« fragte sie mich.
    »Was?«
    »Es waren Schritte.«
    »Unsere?« fragte ich schwerfällig.
    »Nein, andere. Ich werde das Gefühl nicht los, daß uns jemand verfolgt.«
    »Ich habe niemanden gesehen.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Sie trat mit dem Fuß auf und schob mich weiter.
    »Deine Mutter kann es nicht sein?«
    Susy lachte girrend. »Nein, bestimmt nicht.«
    Ich hatte mittlerweile wieder einen sehr lichten Moment bekommen. Mein Kopf war auch frei von Schmerzen geworden, und mir fiel plötzlich ein, daß ich mich ja mit Sid Ferry hatte treffen wollen. Der Mann war bestimmt pünktlich gewesen. Vielleicht hatte er uns auch gesehen und war nun hinter uns her.
    Susy schaute sich hin und wieder blitzschnell um. Sie war nach wie vor beunruhigt, aber sie konnte keinen verdächtigen Schatten entdecken, der uns folgte.
    Inzwischen hatten wir den Teil des Friedhofs erreicht, der zu den alten Flecken zählte. Ich sah keine offenen Gräberfelder. Dafür kam ich mir vor wie bei einem Waldspaziergang, denn die Bäume und Büsche standen sehr dicht beieinander, und sie flankierten den Weg als eisglitzernde Begleiter.
    Meine Beine taten sich noch immer schwer. Es kostete jedesmal eine gewisse Überwindung, weiter zu gehen. Aber Susy kannte da kein Pardon. Wenn ich ihr zu langsam war, zog sie mich einfach mit. Wir erreichten eine Wegkreuzung. Ich sah ein Wasserbecken, eine Bank und auch Grüften. Susy zog mich nach rechts. »Du hast es bald hinter dir, John. Bis zu Mutters Grab ist es nicht mehr weit. Dann kannst du sie kennenlernen.«
    »Wie ich mich freue.«
    »Lüge nicht.«
    Ich wollte sie nicht wütend machen und ging weiter. Mein Gehirn arbeitete wieder klar. Ich konnte nachdenken, überlegen und auch Schlüsse ziehen. Nur die Reaktionen waren stark beeinträchtigt. Es dauerte immer etwas, bis ich meine Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. Die Schritte waren nach wie vor eine Qual. Die Kälte fuhr auch durch die Hosenbeine. Bei den Oberschenkeln hatte ich das Gefühl, daß sie zu Eisblökken geworden waren. Das war schlimm. So schlich ich weiter.
    Susy hielt mich nicht mehr. Die Nähe des Ziels mußte sie erregt haben. Sie ließ mich los und lief auf das Grab ihrer Mutter zu, das an der linken Wegseite lag.
    Ich folgte ihr langsamer. Erst als sie das Grab erreicht hatte, drehte sie sich um. Es war sehr dunkel. Ich sah sie dennoch winken, und sie krümmte dabei den Zeigefinger. »Komm her, John, komm. Mutter erwartet dich bereits.«
    Ich blieb vor Susy stehen und schaute sie an. »Ich sehe deine Mutter nicht.«
    »Nein?« fragte sie schrill. Ihr Gesicht hatte sich verändert. Es war nicht verzerrt worden, aber doch anders als sonst. Gespannter, gestraffter und härter.
    »Wo ist sie?«
    Susy schlug eine Hand auf meine Schulter und drehte mich herum.
    »Schau nach vorn, was siehst du?« Jetzt klang ihre Stimme hektisch.
    »Ein Grab und einen Stein. Er ist rechteckig, nicht christlich, kein Symbol, kein Kreuz…«
    »Hör auf. Mit diesen verdammten Dingen kann ich nichts anfangen!« rief sie.
    »Du fragtest mich…«
    »Geh auf das Grab!« befahl sie. »Los, mach schon, geh endlich!« Sie stieß mich an.
    Ich stolperte vor und über die Grabkante. So konnte ich mich nicht mehr halten, fiel nach vorn und bekam gerade noch die Arme ausgestreckt, so daß ich mich auf dem knochenhart gefrorenen Grabboden abstützen konnte.
    Susy stand hinter mir und lachte. »So ist es richtig!« flüsterte sie rauh.
    »Geh auf allen vieren zu ihr. Los, mach schon, verdammt. Beeile dich, John Sinclair.«
    Ich kam mir vor wie ein Hund. Wie gern hätte ich mich gedreht und wäre ihr an die Kehle gegangen, aber ich war
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