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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich
Autoren: Ravensburger
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hatte ich das Gefühl, aus einem Grab zu klettern.
    Ihr Kopf rollte gegen meine Wange und Speichel aus ihrem offenen Mund lief mir über den Kiefer. Ich blickte zu Moreau auf, der noch immer auf den Würfel starrte. Er streckte die Hand danach aus, zog die Finger dann aber zurück. Eine zweite Chance bekäme ich nicht.
    Ich spannte meine Arme an, so sehr ich konnte. Anstatt die Eisenpfähle aus dem Boden hochzuziehen, versuchte ich sie zu mir zu biegen. Sie bewegten sich nur wenig. Ob sich das Eisen bog oder sie sich doch langsam in der Erde lösten, konnte ich nicht sagen. Ich versuchte es abermals. Viel tat sich nicht, bis ich Lillis Gewicht nicht mehr stemmen konnte und mein Rücken wieder flach auf dem Boden lag. Ich probierte dasselbe mit den Beinen. Vergeblich. Es tut mir leid . Auch wenn ich nicht wusste, zu wem ich es sagte. Es tut mir so leid.
    Moreau hatte Recht. Das Einzige, was blieb, war die Neugier. Ich beobachtete seine Silhouette von der Seite. Abermals griff er nach dem schwarzen Würfel.
    Noch bevor ich den Jeep sah, spürte ich ihn. Über den Boden wurden die Vibrationen durch meinen Rücken bis in die Knochen übertragen. Zu hören war der Wagen auch nicht – natürlich nicht, das Pfeifen des schwarzen Würfels machte jedes andere Geräusch zunichte –, dennoch konnte ich das Rollen der Räder auf der Lichtung wahrnehmen.
    Was ging hier vor sich? Ich wandte den Kopf … und konnte sehen, wie der Jeep ohne Scheinwerfer die freie Fläche überquerte. Eine Person saß auf dem Fahrersitz, drei weitere befanden sich hinter dem Wagen … und schoben. Drückten ihn vorwärts. Er wurde immer schneller.
    Um Himmels willen.
    Sagan lenkte und die drei soleils , Lena, Anton und Donne, schoben ihn rennend an der hinteren Stoßstange an. Lautlos und unauffällig beschleunigte der Jeep, bis man glauben konnte, er würde abheben.
    Moreau berührte den Würfel und das schrille Pfeifen verstummte; im selben Moment preschte der wuchtige Wagen durch den Funkenregen direkt auf den Vampir zu. Wie der Bug eines Schiffes, der sich auf einem Wellenkamm in die Luft erhebt, brach die Motorhaube durch das Feuerwerk …
    Der Kühler krachte direkt in den Vampir und schleuderte ihn in die Luft. Wild mit Armen und Beinen rudernd flog Moreau über die Lichtung – ein groteskes Bild.
    Sieben oder acht Meter entfernt landete er, der Jeep hingegen war weitergerast und erwischte ihn ein zweites Mal. Mit einem dumpfen Schlag, der mir durch Mark und Bein ging, wurde das Gesicht des Vampirs von einem Reifen in den Boden gedrückt.
    Sagan trat auf die Bremse und der Wagen kam über Moreau zum Stehen. Im nächsten Moment war Sagan bereits herausgesprungen, ließ die Tür offen stehen und kam auf mich zugerannt.
    Der Nebel in meinem Kopf hatte sich verzogen. Abermals drückte ich mich hoch und dieses Mal glitt Lillis Körper von meinem hinunter. Dann zog ich meine Gliedmaßen einzeln zu mir heran wie eine sterbende Spinne und merkte, wie die Eisenpfähle langsam nachgaben. Bevor Sagan bei mir war, hatte ich die Ketten mindestens drei Mal stramm gezogen. Jedes Mal löste ich sie ein bisschen weiter, auch wenn es sehr mühsam war. Die Nachwirkungen von la perte waren noch deutlich zu spüren.
    Sagan beugte sich über mich. Die Nachtsichtbrille saß ihm auf der Stirn. An der Stelle, wo ich vor einem gefühlten Jahrhundert den Verband auf seiner Wunde an der Kehle verknotet hatte, lief ihm Blut den Hals hinunter. Ich rief ihm alles Mögliche zu, aber er bedeutete mir, ruhig zu bleiben, während er versuchte, mich von den Ketten zu befreien. Doch es schien nicht zu gelingen. Hilflos musste ich zuschauen, wie unterdessen der Jeep leicht zur Seite kippte. Moreau saß darunter fest, bewegte sich aber … noch immer.
    »Nun mach schon!«, schrie ich Sagan an.
    Die soleils waren ebenfalls herangekommen, um mit an den Eisenpfählen zu ziehen. Auch ich spannte meine Muskeln immer wieder an und zerrte weiter daran. Donne war die Erste, der es gelang, ihre Seite zu lösen. Sie eilte Sagan zu Hilfe. Nach einer halben Ewigkeit waren alle Pfähle so locker, dass in den Ketten genug Spielraum war, um sie mir von Fuß- und Handknöcheln zu streifen.
    Der Funkenregen erstarb langsam, während sich der vordere Teil des Jeeps immer weiter hob, weil der Vampir mit dem Rücken dagegendrückte.
    Ich versuchte aufzustehen, konnte mich aber nicht auf den Beinen halten. Sagan und Lena fingen mich auf. Ich legte meine Arme um ihren Hals und gemeinsam eilten
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