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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt!
Autoren: Thorsten Nesch
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unnütz.
    – Frank.
    – Ja.
    – Sag’s mir jetzt. Willst du tauschen?
    – Ja, verdammte Rotzekacke.
    Ich habe das Gefühl, er sagt die Wahrheit.
    Der Schulgong ertönt. Schule aus. Sommerferien. Dumpf dringt das Kreischen und Lachen der durch die Gänge laufenden Schüler zu uns.
    – Ruhe, sagt Frank nur.
    Ich wende meinen Kopf ab, wische mir eine Träne von der Wange.
    – Irgendwas muss anders sein als vorgestern, sagt Frank und mustert eindringlich die Instrumente.
    Ich drehe mich um und lehne mich mit dem Rücken an die Arbeitsplatte. So viele Instrumente hier, so viel haben die Wissenschaftler schon geschafft, aber hierbei kann uns niemand helfen. Trotz des Holzes macht das Labor einen kühlen Eindruck. Das einzig lebendige sind die Pflanzen auf der Fensterbank. Am Ende steht eine Sprühflasche. Sie hat die gleiche Form und Farbe wie unsere zu Hause. Zum Befeuchten der Blätter. Zum Befeuchten der Luft. Vorgestern war …
    – Hohe Luftfeuchtigkeit! Frank. Vorgestern hatten wir eine hohe Luftfeuchtigkeit. Strom, Luftfeuchtigkeit, das hängt doch zusammen, leitet. Das war anders! Vielleicht hat das damit zu tun.
    Während ich rede, hole ich die Sprühflasche und drehe die Düse auf feinstmöglichen Wasserstaub.
    – Ja?
    – Ja, das kam im Radio. Blabla, besonders hohe Luftfeuchtigkeit.
    Er überprüft noch einmal alle Stecker, rüttelt an ihnen, ob sie fest sitzen.
    Ich beginne, uns einzunebeln. Dazu halte ich meinen Arm steil nach oben und sprühe Richtung Decke. Es dauert einige Sprühstöße, bis das Wasser meine Stirn benetzt.
    – Mach, jetzt, sage ich.
    Mit einer Hand halte ich eine Kugel, mit der anderen befeuchte ich die Luft.
    Frank kichert irre los.
    – Was ist?
    – Sorry, aber wenn jetzt der Rektor noch mal reinkommen würde und dich so sieht …
    – Mach!
    Aber auch ich muss loslachen. Da sind sie wieder, die Nerven.
    Er legt eine Hand an die Kugel und mit der anderen den Schalter um.
    BSSSB
.

67

    Gleißend helle Lichtkreise in Spektralfarben pulsieren vor meinen offenen Augen. Ich weiß einfach, dass sie offen sind, obwohl ich nichts sehe außer diesen Lichtkreisen, die aus einem weißen Nebel zu strahlen scheinen.
    Ich spüre, wie die Feuchtigkeit mein Gesicht kühlt. Oder fliege ich durch Wolken? Und da höre ich diese wunderbare Stimme eines Engels, – Du kannst aufhören, du kannst jetzt aufhören, Frank, hörst du mich? Sag was, sag was, du Idiot, sag doch was!
    – Doch was.
    – Ja! Ja! Ja! Geschafft. Wir haben es geschafft! Der Albtraum hat ein Ende!
    – Geschafft, sage ich müde.
    – Endlich.
    Der Schleier vor meinen Augen lichtet sich. Über mir schwebt meine Hand mit der grünen Sprühflasche. Ich drücke deren Abzug und erzeuge so einen feinen Nieselregen über mir. Meine Hand schmerzt schon. Ich höre auf, stelle die Flasche auf den Tisch und sehe Elizabeth, die sich die Schläfen reibt.
    – Mann, du hast mir echt Angst gemacht!
    – Was denn?
    – Stehst da und reagierst nicht, du hast dagestanden wie ein Denkmal für Gartenpflege. Mit Automatik im Arm und nix in der Birne.
    Es hat geklappt. Ich bin ich, und Elizabeth ist wieder Elizabeth.
    Ich lache erleichtert, auch sie lacht. Und wir umarmen uns, eng, innig, ich umarme den Körper, in dem ich bis vor ein paar Sekunden gesteckt habe.
    Sie flüstert, – Bin ich froh.
    – Ich auch.
    Ich spüre ihre Brüste an meinem Oberkörper und ihren Oberschenkel an meinem und …
    Draußen hupt jemand, und sie löst sich aus der Umarmung.
    – Das ist Mutti. Das muss Mutti sein, im Taxi. Schnell. Ich muss zum Flieger.
    Sie will zur Tür.
    – Warte, hier lang ist schneller, sage ich und deute auf die Fenster.
    Sie schaut mich an, und ich reiße das erstbeste auf. Beiläufig schnappt sie den Zettel vom Berntchen von der Arbeitsplatte, knüllt ihn zusammen und steckt ihn in die Hosentasche. Dann schwingt sie sich elegant durch den Fensterrahmen und landet zwischen den Büschen.
    Ich folge ihr, ziehe das Fenster von außen wieder zu, und wir laufen zwischen den Büschen am Gebäude entlang, bis wir auf den Schulhof treten, wo uns Jens und ein paar seiner Kumpel erwarten. Zumindest stehen die vier ausgerechnet dort, wo wir rauskommen.
    Sie drehen sich zu uns um, stehen in einer Reihe mit den Händen in den Hüften oder den Armen vor der Brust verschränkt in einem Halbkreis. Wir verlieren unseren Schwung und bleiben schließlich vor ihnen stehen.
    Ich weiß auch nicht, warum, aber an ihnen vorbeizulaufen,
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