Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt!
Autoren: Thorsten Nesch
Vom Netzwerk:
zum Vorschein. Diesmal überquert er übervorsichtig die Straße und bleibt bleich vor mir stehen.
    Ich tippe mir mit dem Finger gegen die Schläfe, – Sag mal, du hättest mich beinahe umgebracht, uns! Ich hätte große Lust, dich jetzt auch noch zusammenzuscheißen.
    Mühsam öffnet er seinen Mund, als würde ihm das Sprechen schwerfallen, – Wenn du nicht geschrien hättest, wäre es passiert.
    – Ich?
    – Ja, ich hatte ja nur dich im Blick. Und da bin ich sofort stehen geblieben, und dann habe ich auch schon den Wagen gesehen. Guck mal, meine Finger zittern richtig.
    Jetzt, wo er es sagt, spüre ich auch, wie meine Hände zittern, aber ich gebe es nicht zu.
    – Ist der Schock, sage ich.
    – Scheiße, das war echt knapp.
    – Und dann ausgerechnet dem Rektor.
    – Echt.
    – Komm, lass uns erst mal weitergehen, bevor er noch mal wiederkommt.
    Wir gehen nebeneinander über den Bürgersteig und weichen den Hundekotfladen aus, die vertrocknet in der Sonne darben. Es hat seit fast zwei Wochen nicht geregnet.
    – Wie geht es dir sonst? Meine Periode, alles okay?
    – Ja, okay, die ist … das sind Krämpfe, die … es zieht …
    Der ist wirklich völlig durch den Wind, und ich hoffe nicht, dass das viel mit dem Beinahe-Unfall zu tun hat.
    – Was ist, Frank? Oder soll ich dich lieber Liz nennen? Liz?
    Es fühlt sich gut an, die Situation so zu melken. Soll er mal leiden.
    – Frank, nenn mich Frank, Elizabeth, ich … hast du eine Idee, wie wir den Berntchen erreichen können?
    – Zurücktauschen?
    – Ja.
    – Wie kommt’s?
    – Grins nicht so, das weißt du genau. Also?, sagt er.
    – Ich habe keine Ahnung, wie …
    – Hör auf, das ist jetzt ernst!, meint er.
    Ich bleibe stehen, – Ach. Jetzt ist es ernst. Jetzt ist es auf einmal ernst. Weißt du, wie scheiße das für mich war? Wie ernst das für mich war? Hast du einen Schimmer, wie es mir ging? Als du mir gesagt hast, wir könnten so noch eine Weile durch die Gegend laufen, damit du mit Mutti in den Urlaub fahren kannst, da hatte ich Angst, richtige Angst. Die habe ich immer noch. Was hast du dir dabei gedacht?
    Er senkt seinen Blick, – Entschuldigung.
    Ich fühle mich etwas besser, räuspere mich und sage, – Ich dachte, wir könnten ins Internetcafé und seinen Namen googeln. Am besten, wir finden seine Adresse und eine Telefonnummer.
    – Ja! Eine Superidee. Das Internetcafé hier vorne?
    Er klingt so erleichtert.
    – Deswegen gehen wir diesen Weg.
    – Super.
    Nachdem er unser Ziel kennt, marschiert Frank schneller. Mir ist das ganz recht, ich laufe neben ihm her.
    An der Kasse im Internetcafé fragt er den müden Schulabbrecher nach einem Platz. Er weist uns einen Computer im hinteren Teil des Cafés zu.
    Nur drei andere Plätze sind belegt. In einer Telefonzelle spricht ein Schwarzer in einem schillernd roten Hemd laut in seiner Heimatsprache.
    Am Computer lässt Frank mir den Vortritt, ich soll mich setzen. Er rückt sich einen Nachbarstuhl heran, während ich den Browser öffne.
    Es gibt mehrere Dr. Michael Berntchen. Der vierte in der Liste ist aus Leverkusen. Er hat eine eigene Homepage, auch sie beschäftigt sich mit Physik.
    Treffer.
    Im Impressum finden wir seine Adresse. Eine Telefonnummer steht nicht dabei, aber das macht nichts, die Straße ist nur drei Blocks von hier entfernt. Der kann jeden Morgen zu Fuß in die Schule gehen.
    Wir bezahlen 2 , 50  Euro für die angefangene halbe Stunde, das heißt, er bezahlt mit meinem Geld. Keine fünf Minuten waren wir im Internetcafé.
    – Nichts wie hin, sagt Frank.
    – Wir können nicht einfach so bei ihm klingeln.
    – Wie? Warum nicht?
    – Na, hallo, wir sind’s, erklären Sie uns mal kurz, wie wir den Versuch nachbauen können. Den wollen wir unbedingt noch mal machen. Der würde denken, wir haben Fieber oder einen Hitzeschlag.
    – Stimmt. Und?
    – Wie wär’s mit einem kleinen Geschenk? Zum Gesundwerden.
    Frank zeigt nach vorne, – Einen Döner?
    – Sicher, sage ich und rolle mit den Augen, sehe aber auch den Obstladen, und mir kommt die richtige Idee, – Der hat doch immer eine Banane und einen Apfel dabei. Wir kaufen ihm einen Obstkorb. Das passt.
    – Das passt, wiederholt er mich.
    Wir gehen an der fruchtig duftenden Obstauslage auf dem Bürgersteig vorbei die drei Stufen hoch in den kleinen Laden. Hinter dem Tresen steht der gleiche Mann, der gestern aus der Dönerbude kam. Erst zieht er seine buschigen Augenbrauen hoch, dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher