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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde
Autoren: James A. Michener
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weggeworfen werden mußte; nicht einmal die Hyänen würden es fressen. Die erste Sorge der Jäger galt dem Blut; für sie war jede Flüssigkeit kostbar. Leber und Magen wurden herausgeschnitten und    auf    der Stelle    verzehrt, aber die
    Fleischstücke waren tabu, bis sie zum Lager zurückgebracht und vorschriftsmäßig verteilt worden waren, so daß jedes Mitglied der Sippe seinen Anteil bekam.
    Gumsto konnte auf seine Leistung nicht gerade stolz sein. Anstatt ein riesiges Nashorn heimzubringen, konnte er nur einen kleinen Springbock vorweisen; seine Leute würden hungrig sein, aber noch schlimmer war, daß nur er allein bei der Verfolgung der Spuren vorausgesehen hatte, in welche Richtung die Tiere gehen würden, und das stimmte ihn bedenklich. Da die Sippe nichts von Viehzucht und Ackerbau verstand, lebte sie nur von den Tieren, welche die Giftpfeile ihrer Jäger zur Strecke brachten, und wenn diese Pfeile nicht richtig verwendet wurden, würde sich ihre Ernährung auf kaum noch ausreichende Nahrungsmittel beschränken: Knollengewächse, Zwiebeln, Melonen, Nagetiere, Schlangen und Wurzeln, die die Frauen vielleicht fanden. Es war unbedingt notwendig, daß die Gruppe rasch einen Meisterjäger hervorbrachte.
    Normalerweise erlernte der Sohn eines Anführers die Fähigkeiten seines Vaters, aber das war bei Gao nicht der Fall gewesen, und Gumsto hatte den Verdacht, daß diese Unzulänglichkeit seine Schuld war: Ich hätte nicht zulassen dürfen, daß er in absonderliche Angewohnheiten verfällt. Er erinnerte sich an das Verhalten seines Sohnes bei ihrer ersten gemeinsamen großen Jagd; während andere Jungen den Kadaver zerhackten, beschäftigte sich Gao damit, die Spitzen von den Hörnern abzuschneiden, und da merkte Gumsto, daß etwas nicht stimmte.
    »Du sammelst sie, um in ihnen Farben aufzubewahren?« fragte er. »Ja. Ich brauche sieben davon.«
    »Gao, in unserer Sippe hat es schon immer Männer gegeben, die uns die Geister der Tiere zeigten, die wir jagen. In jeder Gruppe gibt es einen, und wir schätzen die Arbeit, die sie verrichten. Damit solltest du aber erst anfangen, nachdem du gelernt hast, Fährten zu suchen und zu töten, nicht vorher.«
    Wo immer das San-Volk in den letzten zweitausend Jahren gewandert war, hatte es auf Felsen und in Höhlen Zeugnisse seiner Anwesenheit hinterlassen: große springende Tiere, die, verfolgt von tapferen Männern, den Himmel überquerten; viel von dem Glück, das den San-Jägern zuteil wurde, beruhte auf der besonderen Achtung, die sie den Geistern der Tiere erwiesen. Wichtiger aber als Gebete, wichtiger als die Tiergeister, wichtiger als alles andere auf Erden war, daß die Sippe zu essen hatte. Deshalb war es besorgniserregend, wenn ein sechzehnjähriger Junge keinen Sinn für all die Fertigkeiten entwickelte, die man bei der Suche nach Nahrung brauchte. Und dann befiel Gumsto ein schändlicher Gedanke: Sollte Gao sich als tüchtiger Jäger erweisen, würde er Anspruch auf Naoka haben. Solange er aber so bleibt, wie er ist, erwartet mich von dieser Seite kein Ärger. Diese wundervolle Frau war für einen richtigen Mann bestimmt, einen Meisterjäger, und er selbst war der einzige, der diese Voraussetzungen erfüllte. Als nun die mageren Fleischportionen verteilt waren, fragte er seine Frau munter: »Hast du mit der Witwe Kusha über ihre Tochter gesprochen?«
    »Warum sollte ich?« brummte Kharu. »Weil Gao eine Frau braucht.«
    »Dann soll er sich eine suchen.« Kharu war die Tochter eines berühmten Jägers und nahm keinen Unsinn hin, von niemandem. »Was soll er tun?«
    Da hatte Kharu die Nase voll. Sie wandte sich an ihren Mann und schrie, daß alle es hören konnten: »Das ist deine Aufgabe, du Nichtsnutz! Du hast es versäumt, ihn jagen zu lehren. Und kein Mann kann eine Frau verlangen, bevor er seine Antilope erlegt hat.«
    Gumsto überlegte genau, was er als nächstes sagen sollte. Er hatte wirklich keine Angst vor seiner energischen alten Frau, war aber vorsichtig und wußte nicht, wie er die heikle Sache zur Sprache bringen sollte, Naoka in seinen Haushalt einzuführen.
    Wie schön sie war! Ein großgewachsenes Mädchen, fast einsfünfundvierzig. Bezaubernd, wie sie dort im Sand lag und ihre weißen Zähne von ihrer reizenden braunen Haut abstachen. Ihre tadellose Haut neben Kharus zahllosen Falten zu sehen war wie ein Wunder, und es war unmöglich zu glauben, daß jenes Goldmädchen je so werden konnte wie diese alte Vettel. Naoka war einmalig,
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