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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde
Autoren: James A. Michener
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Schultern und schmalen Hüften, wie es die Wüste erforderte. Seine Zähne waren gut, und obwohl er tiefe Falten hatte, waren seine Augen gesund, ohne braune Stellen oder Schleimflecken. Und vor allem war er ein Meister im Fährtenfinden. Er konnte auf meilenweite Entfernung eine Antilopenherde erkennen, die sich mit dem Sand vermischte, und das Tier entdecken, das zurückbleiben würde, so daß es abgesondert und mit dem Pfeil erlegt werden konnte. Er besaß einen angeborenen Sinn, der ihn befähigte, zu denken wie ein Tier, vorauszuahnen, wohin die Antilope laufen oder wo sich das große Nashorn verstecken würde. Beim Betrachten einer tagealten Spur und der Beachtung der Art, wie der Sand getrieben worden war, konnte er fast die Lebensgeschichte des Tieres herausfinden. Wenn fünfzehn Spuren sich vermischten, konnte er diejenige identifizieren, die das von ihm gejagte Tier hinterlassen hatte, und sie in dem Gewirr verfolgen.
    Die Nacht sank hernieder, und eine Frau, die für das Feuer zu sorgen hatte, legte die Zweige aufmerksam auf, genug Holz, um eine Flamme zu nähren, die Raubtiere abhielt, und nicht zu viel, um kein Brennmaterial zu vergeuden. Das jähe, sichere Dunkel der Savanne senkte sich auf das Lager, und die fünfundzwanzig kleinen braunen Menschen kuschelten sich unter ihre Antilopenmäntel, die Hüften geborgen in den kleinen Höhlungen. Gumsto plante seinen Aufbruch und dachte an Naoka, die, kein Dutzend Körperlängen von ihm entfernt, schlief.
    Sein Plan bestand aus zwei Teilen: Er wollte das Gemecker der alten Kharu ignorieren, sie aber immer tiefer in den Aufbruch miteinbeziehen, so daß ihr schließlich nichts anderes übrig blieb, als ihn zu unterstützen; und seine Jäger zu einer letzten Mahlzeit auf die Spur dieses Nashorns zu führen. Dabei erschien es ihm einfacher, mit dem Nashorn fertigzuwerden als mit Kharu, denn bei Sonnenaufgang hatte sie sechs neue Einwände, die sie mit weinerlicher Stimme vorbrachte. Trotz ihrer lästigen Art hatten ihre Warnungen Hand und Fuß, wie Gumsto zugeben mußte. »Wo werden wir Strauße finden, sag mir das«, keifte sie. »Und wo können wir genug Käfer finden?«
    Während Gumsto auf ihr häßliches Gesicht starrte, zeigte er die Liebe und den Respekt, die er für seine alte Gefährtin empfand. Er streichelte ihre Wange und sagte: »Es ist deine Aufgabe, die Strauße und die Käfer zu finden. Das machst du doch immer.« Und damit ging er zu seinen Männern. Jeder Jäger meldete sich nackt, bewaffnet mit einem Köcher voll dünner Pfeile und einem Bogen. An dem dünnen Lendenschurz konnte der wertvolle Behälter befestigt werden, in dem er seine tödlichen Pfeilspitzen aufbewahrte - aber nur, wenn das Nashorn tatsächlich gesichtet wurde. Wenige Jäger haben sich je mit einer so schwachen Ausrüstung zum Kampf gegen ein so gewaltiges Tier aufgemacht.
    »Von der nächsten Erhebung aus können wir es vielleicht sehen«, versicherte Gumsto seinen Männern, aber als er der Fährte den Hügel hinauf folgte, sahen sie nichts. Zwei Tage lang strebten sie schon nach Osten, aßen kaum etwas und tranken fast kein Wasser. Dann endlich, am dritten Tag, als Gumsto das sichere Gefühl hatte, es müsse nun soweit sein, sahen sie in der Ferne dunkel und drohend das Nashorn.
    Die Männer hielten den Atem an vor Freude und Furcht, als Gumsto sich auf die Fersen hockte, um die Merkmale ihres Feindes zu studieren. »Es schont sein linkes Vorderbein. Seht, es bewegt sich vorsichtig, um Druck zu vermeiden. Es bleibt stehen, um das Bein auszuruhen. Jetzt läuft es, um das Bein zu testen. Es wird wieder langsamer werden. Wir werden von dieser Seite her angreifen.«
    Am nächsten Tag holten die kleinen Jäger das Nashorn ein. Gumsto hatte recht gehabt: Das riesige Tier schonte sein linkes Vorderbein. Geschickt verteilte er seine Leute so, daß, wo immer sich das Tier hinwandte, es einem von ihnen ein annehmbares Ziel bieten würde. Als alle bereit waren, gab er ihnen das Zeichen, ihre Pfeile vorzubereiten: Nun ereignete sich ein Kulturwunder, denn die Sippe hatte im Laufe von Jahrhunderten eine Waffe von außerordentlicher Kompliziertheit und Wirkung entwickelt. Ihr Pfeil glich keinem anderen; er bestand aus drei gesonderten, aber miteinander funktionsfähigen Teilen. Der erste war ein dünner Schaft, an einem Ende geschlitzt, damit er in die Bogensehne paßte. Das eigentliche Geheimnis des Pfeiles war der zweite Teil, ein äußerst dünner Schaft, an dessen beiden Enden je eine
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