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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht
Autoren: Karin Slaughter
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schon eine halbe Stunde zu spät.«
    » Ich weiß«, sagte Sara und schaute zu, wie ihre Schwester das Ei verputzte. » Ich dachte, dir sei schlecht.«
    » War es mir ja auch«, sagte Tessa und nahm sich noch ein Ei. » Jetzt aber nicht mehr… ganz so.«
    Sara wollte etwas sagen, hielt aber inne, als sie in der Auffahrt einen Wagen hörte. » Das wird Jeffrey sein«, sagte sie und stand so schnell vom Tisch auf, dass ihr Stuhl nach hinten kippte. Sie bekam ihn gerade noch zu fassen, bevor er auf dem Boden landete, und warf Tessa einen drohenden Blick zu in der Hoffnung, damit den Kommentar abzuwürgen, der ihrer Schwester garantiert schon auf der Zunge lag.
    Sara ließ sich auf dem Weg zur Haustür bewusst Zeit. Jeffrey wollte gerade klopfen, als sie öffnete. Und sie wollte sich gerade vorbeugen, um ihm einen Kuss zu geben, ließ es aber, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. » Was ist denn?«
    Zur Antwort hielt er eine Videokassette hoch.
    Sie schüttelte den Kopf und fragte: » Was soll das?«
    » Warte, bis wir im Arbeitszimmer sind«, sagte er und ging vor ihr die Treppe hinunter. Sie konnte an seiner Schulterhaltung erkennen, dass er zornig war. Seine Haltung war verkrampft, die Zähne hatte er fest zusammengebissen.
    Sara setzte sich auf die Couch und sah zu, wie Jeffrey die Kassette einlegte. Er setzte sich neben sie und hantierte mit der Fernbedienung, bis ein Bild zu sehen war. Sara erkannte, dass es sich um Schwarz-Weiß-Aufnahmen einer Überwachungskamera handelte.
    » Das Postamt in Atlanta«, sagte sie.
    Jeffrey lehnte sich zurück, und Sara schmiegte sich an ihn, während sie sich das Videoband ansahen. Es wirkte alles ganz normal: Ein Raum voller Postfächer mit einem Tisch in der Mitte. Jeffrey benutzte den schnellen Vorlauf und ließ das Band wieder normal laufen, als ein schlank wirkender junger Mann ins Bild kam.
    » Das könnte ja fast Mark Patterson sein«, flüsterte Sara und sah gebannt zu, wie der Junge nach hinten ging. Als er dichter an die Kamera kam, erkannte man, dass er tatsächlich Mark erstaunlich ähnlich sah. Beide waren gleich schlaksig und wirkten ähnlich arrogant. Die Art, wie seine Kleidung am Körper hing, vermittelte dieselbe androgyne Sinnlichkeit.
    Jeffrey sagte: » Er sieht genauso aus wie Mark.«
    Auf dem Bildschirm sah man, dass der Junge argwöhnisch den Raum durchquerte, einmal stehen blieb und sich schließlich verstohlen umsah, bevor er ein Schließfach öffnete. Sein Rücken war der Kamera zugekehrt und blockierte die Sicht, als er den Inhalt des Fachs herausnahm, sich abermals umsah und dann mehrere Umschläge unter den Gürtel seiner Hose steckte. Er zog sein T-Shirt darüber und stopfte es sich ebenfalls in die Hose. Dann ging er an der Kamera vorbei zum Ausgang.
    Jeffrey drückte auf Pause, und das Bild des Jungen fror auf dem Schirm ein.
    » Sie hat jemanden geschickt«, sagte Sara.
    » Er ging hinaus auf den Parkplatz, stieg in einen schwarzen Thunderbird und fuhr zu einer Einkaufspassage in der Stadt«, sagte Jeffrey. » Es tauchte niemand auf, um ihn zu treffen. Er wartete zwei Stunden und benutzte dann einen Münzfernsprecher.«
    » Um wen anzurufen?«
    » Nick hat die Nummer zu einem Handy zurückverfolgt. Aber es hat sich niemand gemeldet.«
    » Und was ist mit diesem Jungen?«
    » Er heißt David Ross oder auch Ross Davis«, erklärte Jeffrey. » Nick hat seine Fingerabdrücke überprüfen lassen. Er wurde vor zehn Jahren am helllichten Tag von zu Hause gewaltsam entführt. Seitdem vermisst und für tot gehalten.«
    Sara blieb fast das Herz stehen. » Vor zehn Jahren?«
    » Ja«, sagte Jeffrey voller Wut. » Er spielte draußen mit seinem kleinen Bruder. Dottie kam in ihrem Auto. Wir glauben jedenfalls, dass es Dottie war. Wanda. Scheiße, wie sie auch heißen mag. Es war eine Frau. Sie nahm Ross Davis mit, und er kehrte nie wieder nach Hause zurück.«
    Sara fasste sich ans Herz. » Die armen Eltern.«
    » Deren Kind ist er nicht mehr, Sara. Er ist genau wie Mark. Will nicht reden. Nick hatte ihn sechs Stunden lang in der Mangel, und der Junge hat so gut wie nichts gesagt. Wollte noch nicht einmal einräumen, dass er Dottie kennt. Er hat nur gesagt, er sei dort gewesen, um seine Post abzuholen.«
    » Hat er Marks Tätowierung?«
    Jeffrey schüttelte den Kopf.
    » Wie alt ist er?«
    » Siebzehn.«
    » Mit sieben ist er entführt worden?«
    » Vom Gesetz her ist er volljährig«, sagte Jeffrey so niedergeschlagen, dass Sara seine Hand nahm.
    Dann fragte
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