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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Autoren: Morgan Matson
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unvermeidliche Pyjamaparty-Frage: Und wer war dein erster Freund? Die Henry-Geschichte hatte ich inzwischen perfekt drauf.
    Ach, das war Henry. Ein Freund von mir, oben in Pennsylvania, wo wir unser Sommerhaus haben. Als wir beide zwölf waren, sind wir miteinander gegangen. Von ihm habe ich meinen ersten Kuss bekommen, im Sommer auf dem Jahrmarkt … Das war die Stelle, wo alle aufseufzten. Und wenn mich dann jemand fragte, was danach passiert war, lächelte ich meistens, zuckte mit den Schultern und sagte so was wie: »Na ja, wir waren zwölf, da sieht’s auf lange Sicht halt schlecht aus …« Und dann lachten immer alle, und ich nickte lächelnd, obwohl mir noch eine ganze Weile durch den Kopf ging, was ich gerade gesagt hatte. Genau genommen war es nicht falsch, aber trotzdem entsprach nichts davon – insbesondere die Erklärung, warum nichts daraus geworden war – der Wahrheit. Doch dann verbannte ich meine Erinnerungen an jenen Sommer regelmäßig wieder aus meinem Kopf, kehrtezur allgemeinen Unterhaltung zurück und ließ die Geschehnisse mit Henry und Lucy und allem, was ich angerichtet hatte, wieder die kleine, bedeutungslose Geschichte sein, die ich allen vormachte.
    Einen Augenblick später kam Warren in die Küche, hielt geradewegs auf einen Pappkarton zu, der auf dem Tisch stand, und öffnete den Deckel. »Tut mir leid«, sagte er, »ich hab nur Spaß gemacht.«
    Ich zuckte die Schultern, so als ob mich das völlig kaltließ. »Schon okay«, sagte ich, »ist doch alles schon ewig her.« Was auch stimmte. Aber trotzdem war Henry mir – kaum dass wir die Grenze hinter uns gelassen hatten, die Lake Phoenix vom Rest der Welt trennte – unaufhörlich durch den Kopf gegangen und es hatte auch nicht geholfen, meinen iPod auf volle Lautstärke zu drehen, um diese Gedanken zu übertönen. Sogar nach seinem Haus hatte ich Ausschau gehalten – das zu meiner großen Überraschung nicht mehr in sanftem Weiß, sondern einem leuchtenden Blau gestrichen war. Und auf dem Schild davor, auf dem immer CAMP CROSBY gestanden hatte, war jetzt MARYANNE’S HAPPY HOURS zu lesen, mit dem Umriss eines Martini-Glases daneben, was ich als ein sicheres Zeichen dafür deutete, dass das Haus einen neuen Besitzer gefunden hatte. Und dass Henry demzufolge nicht mehr hier war. Ich hatte wie gebannt auf das Haus gestarrt, das langsam aus meinem Blick verschwand. Ich begriff, dass ich Henry vermutlich nie wieder sehen würde, was durch die Anwesenheit von Maryanne, wer auch immer das sein mochte, untermauert wurde. Diese Erkenntnis löste seltsam gemischte Gefühle in mir aus – nostalgische Sehnsucht verbunden mit tiefer Enttäuschung. Aber ich empfand auch blanke Erleichterung, wie sie einen oft befällt, wenn man grad noch mal davongekommen ist.
    Warren fing an, den Pappkarton auszupacken. Er reihte Ketchup-Plastikflaschen in perfekt ausgerichteten Linien auf der Arbeitsfläche auf, als ob sich gerade eine Würzsoßenschlacht epischen Ausmaßes zusammenbraute.
    Fasziniert schaute ich ihm zu. »Herrscht in Pennsylvania irgendeine Ketchup-Knappheit, die mir entgangen ist?«
    Ohne von seiner Beschäftigung aufzuschauen, schüttelte Warren den Kopf. »Ich treffe nur Vorsichtsmaßnahmen«, erklärte er. »Du weißt doch, was letztes Mal los war.«
    Ich erinnerte mich tatsächlich. Eigentlich war mein Bruder nicht besonders wählerisch, wenn es ums Essen ging (ganz im Gegensatz zu Gelsey, die sich anscheinend ausschließlich von Pizza und Pasta ernährte und es strikt ablehnte, irgendwas zu sich zu nehmen, das auch nur andeutungsweise scharf gewürzt war), doch Ketchup bildete eine Ausnahme. Warren aß nämlich nahezu alles mit Ketchup, und zwar ausschließlich mit Heinz-Ketchup, und selbst das nur aus dem Kühlschrank, Raumtemperatur kam für ihn nicht in Frage. Er behauptete, dass er denUnterschied zwischen den verschiedenen Marken herausschmecken konnte, was er mir auch mal bewiesen hatte, als wir noch kleiner waren und uns in einem Einkaufszentrum bei den Imbissen furchtbar gelangweilt hatten. Und demzufolge war es für ihn ein traumatisches Erlebnis gewesen, als wir vor fünf Jahrenin Lake Phoenix ankamen und der Heinz-Ketchup komplettausverkauft gewesen war, sodass wir auf ein No-Name-Produkt ausweichen mussten. Warren war nicht bereit gewesen, es auch nur zu probieren, und hatte stattdessen auf die Firmen-Kreditkarte meines Vaters einen Karton Heinz-Ketchup per Eilkurier bestellt. Was meinen Vater – ganz zu schweigen vom
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