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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Autoren: Morgan Matson
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wir eins der beiden rosafarbenen Bandana-Tücher, die wir besaßen, an einen Pfahl an unserem jeweiligen Steg. Das war zugegebenermaßen keine besonders ausgereifte Methode und meistens riefen wir uns doch einfach auf dem Handy an, noch ehe uns die Botschaft per Taschenlampe, Fähnchen oder Bandana zufällig erreicht hatte. Aber jetzt wehte natürlich kein Bandana-Tuch an ihrem Steg.
    Ich zog meine Flip-Flops aus und lief barfuß über die sonnenwarmen Holzplanken. Der Steg war im Laufe der Jahre so oft benutzt worden, dass man keine Angst haben musste, sich einen Splitter zu holen – wie es manchmal auf unserer Eingangsveranda passierte. Ich ging immer schneller, bis ich schon fast rannte, weil ich endlich ganz ans Ende des Stegs wollte, um den frischen Duft des Wassers und der Kiefern einzuatmen und die letzte Planke unter meinen Zehen zu spüren.
    Als ich fast da war, blieb ich wie angewurzelt stehen. Unter dem Steg war Bewegung zu spüren. Das Kajak, das ich zuvor draußen auf dem See gesehen hatte, war jetzt dort festgebunden und schaukelte vor sich hin. Und dann sah ich auch denjenigen, der darin gesessen hatte, denn er stieg gerade die Leiter hinauf. Mit einer Hand hielt er sich fest und in der anderen trug er das Paddel. Die Sonne spiegelte sich so intensiv auf der Wasseroberfläche, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, aber eigentlich konnte es ja nur einer der Nachbarn sein. Er ging weiter, hinaus aus dem grellen Sonnenlicht, blieb plötzlich stehen und starrte mich an. Überrascht blinzelte ich und konnte nur zurückstarren.
    Denn wer da vor mir stand, fünf Jahre älter, total erwachsen und noch viel süßer, als ich ihn in Erinnerung hatte, war Henry Crosby.

Kapitel 3
    Ich spürte, wie mir tatsächlich der Unterkiefer herunterklappte, was ich bis dahin lediglich für eine Redensart gehalten hatte. Hastig machte ich den Mund wieder zu, blinzelte noch einmal und versuchte zu begreifen, wie ich diesen erwachsenen Henry da einordnen sollte.
    Er legte das Paddel auf dem Steg ab, kam einen kleinen Schritt auf mich zu und verschränkte dann die Arme über der Brust. »Taylor Edwards«, sagte er und formulierte das keineswegs als Frage.
    »Henry?«, fragte ich zaghaft, obwohl ich natürlich genau wusste, dass er es war. Zum einen hatte er mich ja erkannt, was bei einem x-beliebigen Kajakfahrer sicher nicht der Fall gewesen wäre. Und zum anderen sah er immer noch so aus wie früher – nur viel, viel besser.
    Er war groß, hatte breite Schultern und noch die gleichen braunen, kurz geschnittenen Haare, die so dunkel waren, dass sie fast schwarz wirkten. Die Sommersprossen von früher konnte ich nicht mehr entdecken, aber seine Augen waren immer noch haselnussbraun, wenn auch inzwischen eher ins Grüne gehend. Auch sein Kinn war jetzt markanter und seine Arme ziemlich muskulös. Irgendwie kriegte ich das nicht mit dem Bild zusammen, das ich noch von ihm im Kopf hatte, als er kleiner gewesen war als ich und ziemlich dürr, mit aufgeschrammten Ellbogen und Knien. Insgesamt sah Henry also ausgesprochen toll aus, schien aber nicht sonderlich erfreut, mich zu sehen.
    »Hi«, sagte ich daher, um irgendwas zu sagen und zu überspielen, dass ich ihn so angestarrt hatte.
    »Hallo«, antwortete er kühl. Auch seine Stimme war viel tiefer geworden und kippte nicht mehr bei jedem zweiten Wort weg. Er sah mich an, und ich fragte mich plötzlich, welche Veränderungen ihm wohl an mir auffielen und was er über mein jetziges Äußeres dachte. Zu meinem Leidwesen hatte ich mich seit meiner Kindheit kaum verändert – mit meinen blauen Augen und den dünnen glatten Haaren irgendwo zwischen blond und braun. Ich war mittelgroß, eher drahtig und konnte kurventechnisch leider nicht die Fortschritte vorweisen, die ich mir mit zwölf erhofft hatte. Ich ärgerte mich, dass ich mir am Morgen nicht mehr Zeit für mein Styling genommen hatte und im Wesentlichen so aussah wie eben erst aufgestanden. Henry taxierte mein Outfit, und ich konnte mich innerlich nur verfluchen. Nicht genug, dass ich jemandem über den Weg lief, der mich offenbar abgrundtief hasste, zu allem Überfluss musste ich dabei auch noch ein T-Shirt tragen, das ich ihm geklaut hatte.
    »Tja«, sagte er und dann herrschte erst mal Schweigen. Mein Herz hämmerte wie verrückt, und ich wäre am liebsten sofort verschwunden, in ein Auto gesprungen und ohne Zwischenstopp bis Connecticut durchgefahren. »Was machst du denn hier?«, fragte er nach einer Weile
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