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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen
Autoren: Michael Connelly
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Er kam von der Arbeit und ging weg und kam wieder auf den Geschmack. Und damit hatte es sich. Ich weiß nur, dass wir jetzt einen neuen Koch brauchen, weil der Typ, der für ihn eingesprungen ist, nicht mal Eier machen kann.«
    Bosch sagte nichts mehr zu dem Mann. Er entfernte sich von dem Fenster und ging zur Tür. Vor dem Asyl wimmelte es von Menschen. Nachtmenschen. Beschädigte und Entwurzelte. Menschen, die sich vor anderen und vor sich selbst versteckten. Menschen, die vor der Vergangenheit wegliefen, vor den Dingen, die sie getan hatten, und denen, die sie nicht getan hatten.
    Die Story würde am Morgen in den Nachrichten kommen. Er hatte sie Robert Lost selbst erzählen wollen.
    Bosch beschloss, nach ihm zu suchen. Er wusste nicht, welche Wirkung die Nachricht, die er ihm ü berbringen wollte, auf ihn haben würde. Er wusste nicht, ob er Lost damit aus dem Loch herausholen oder noch tiefer hineinstoßen würde. Vielleicht war ihm jetzt überhaupt nicht mehr zu helfen. Trotzdem musste er es ihm erzählen. Die Welt war voll von Menschen, die über irgendetwas nicht hinwegkamen. Es gab keine endgültige Versöhnung mit dem Schicksal, und es gab keinen Seelenfrieden. Die Wahrheit machte einen nicht frei. Aber man konnte über Dinge hinwegkommen. Das war es, was Bosch ihm sagen würde. Man konnte sich auf das Licht zuarbeiten, man konnte strampeln und wühlen und sich aus dem Loch herauskämpfen.
    Bosch stieß die Tür auf und ging in die Nacht hinaus.

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    43
    Der Paradeplatz der Polizeiakademie schmiegt e sich wie eine grüne Decke an einen der bewaldeten Hügel des Elysian Park. Es war ein schöner und schattiger Platz, und er war der Tradition würdig, die der Polizeichef Bosch hier in Erinnerung rufen wollte.
    Am Morgen nach seiner vergeblichen nächtlichen Suche nach Robert Lost meldete sich Bosch um acht Uhr am Empfangstisch und wurde zu einem reservierten Sitz im offenen VIP-Zelt geführt. Dort waren hinter dem Rednerpult, an dem die Ansprachen gehalten würden, vier Stuhlreihen aufgestellt. Von Boschs Sitz blickte man auf den Paradeplatz hinaus, auf dem die neuen Kadetten aufmarschieren würden, um sich zur Inspektion aufzustellen. Als geladener Gast des Polizeichefs wäre er einer der Inspektoren.
    Bosch war in voller Uniform. Das war bei der Aufnahme neuer Officer in den Polizeidienst Tradition – man beglückwünschte sie in Uniform zur Uniform. Und er war früh gekommen. Er saß allein da und hörte zu, wie die Polizeikapelle alte Standards spielte. Niemand störte ihn, während andere VIPs zu ihren Plätzen gebracht wurden. Es waren hauptsächlich Politiker und Würdenträger und ein paar ehemalige Irakkämpfer mit dem Purple Heart an ihren U.S.-Marine-Corps-Uniformen.
    Die Haut an Boschs Hals juckte unter dem gestärkten Kragen und der eng geknoteten Krawatte. Er hatte fast eine Stunde lang unter der Dusche gestanden und die Tusche auf seiner Haut wegzuschrubben versucht, in der Hoffnung, damit auch gleich die ganze Abscheulichkeit des Falls abzuwaschen.
    Er wurde auf Deputy Chief Irvin Irving erst aufmerksam, als der Kadett, der Irving zu seinem Platz brachte, sagte: »Entschuldigung, Sir.«
    Bosch blickte auf und sah, dass Irving der Platz neben ihm zugeteilt worden war. Er richtete sich auf und nahm sein Programm von dem für Irving reservierten Sitz.
    »Viel Vergnügen, Sir«, sagte der Kadett, bevor er zackig kehrtmachte, um einen anderen VIP zu holen.
    Zunächst sagte Irving nichts. Er schien viel Zeit darauf zu verwenden, es sich bequem zu machen und sich umzuschauen, ob jemand sie beobachtete. Sie saßen in der ersten Reihe, auf zwei der besten Plätze. Schließlich begann er zu sprechen, ohne sich Bosch zuzuwenden oder ihn anzusehen.
    »Was hat das zu bedeuten, Bosch?«
    »Das würde ich gern von Ihnen hören, Chief.«
    Jetzt war es Bosch, der sich umblickte, ob jemand sie beobachtete. Offensichtlich war es kein Zufall, dass sie nebeneinander saßen. Bosch glaubte nicht an Zufälle. Nicht an solche.
    »Der Chief wollte, dass ich an der Feier teilnehme«, sagte er. »Er hat mich am Montag eingeladen, als er mir meine Dienstmarke zurückgab.«
    »Schön für Sie.«
    Fünf Minuten vergingen, bevor Irving wieder etwas sagte. Bis auf die Plätze am Ende der ersten Reihe, die für den Polizeichef und seine Frau reserviert waren, war das Zelt fast voll. Inzwischen flüsterte Irving.
    »Sie haben eine schwere Woche hinter sich, Detective. Sie landen in der Scheiße
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