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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen
Autoren: Michael Connelly
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Mittelschicht angehören, zählen die Kriminalitätsraten von Devonshire seit jeher zu den niedrigsten von ganz Los Angeles. Die in Polizistenkreisen als Club Dev bekannte Devonshire Division war bei Officers und Detectives, die schon lange bei der Polizei waren und entweder entsprechend ausgebrannt waren oder einfach genug Action mitbekommen hatten, als Dienststelle außerordentlich begehrt. Außerdem war der Zuständigkeitsbereich der Devonshire Division derjenige Teil der Stadt, der am nächsten bei Simi Valley in Ventura County lag, einer ruhigen Gemeinde praktisch ohne Verbrechen, in der Hunderte von LAPD-Officers wohnten. Eine Stelle in Devonshire machte den täglichen Weg zur Arbeit zum Kinderspiel, und die Arbeitsbelastung war die geringste im ganzen LAPD.
    Diesen ganzen Club-Dev-Hintergrund hatte Bosch beim Lesen der Berichte im Hinterkopf. Seine Aufgabe bestand unter anderem darin, die Leistungen Greens und Garcias zu beurteilen und festzustellen, ob sie ihrer Aufgabe gewachsen gewesen waren. Er kannte sie nicht und wusste nichts über sie. Er hatte keine Ahnung, wie viel an Können und Erfahrung sie in den Fall eingebracht hatten. Da war die anfängliche Falscheinschätzung der Todesursache als Selbstmord. Soviel aus den Unterlagen hervorging, waren die zwei Ermittler davon jedoch rasch wieder abgekommen. Ihre professionell geschriebenen Berichte machten einen ebenso gründlichen wie vollständigen Eindruck. Sie schienen, soweit dies im Bereich des Möglichen gelegen hatte, jede sich anbietende zusätzliche Maßnahme ergriffen zu haben.
    Bosch war allerdings auch klar, dass eine Mordakte frisiert werden konnte, um diesen Eindruck zu erwecken. Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, müsste er sich erst in den Fall vertiefen und seine eigenen Ermittlungen anstellen. Es konnte ein gewaltiger Unterschied bestehen zwischen dem, was protokolliert war und was nicht.
    Der Akte zufolge hatten Green und Garcia bei ihren Ermittlungen rasch eine andere Richtung eingeschlagen, als nach der Autopsie Selbstmord als Todesursache ausgeschlossen werden konnte und die bei der Leiche gefundene Waffe untersucht worden war. Man stufte den Fall daraufhin als einen Mord ein, der als Selbstmord getarnt worden war.
    Zunächst kam Bosch zum Obduktionsbefund. Er hatte Tausende von Obduktionsbefunden gelesen und mehreren hundert Obduktionen beigewohnt. Er wusste also, dass er die ganzen Gewichts- und Größenangaben sowie die Beschreibung der Vorgehensweise überspringen und sich gleich der Zusammenfassung und den beigefügten Fotos zuwenden konnte. Wie nicht anders zu erwarten, war als Todesursache ein Pistolenschuss in die Brust angegeben. Der geschätzte Todeszeitpunkt war der 6. Juli zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens. In der Zusammenfassung war vermerkt, dass es keine Zeugen gab, die den Schuss gehört hatten, weshalb sich die Bestimmung des Todeszeitpunkts lediglich auf eine Messung des Absinkens der Körpertemperatur stützte.
    Es gab jedoch auch ein paar Überraschungen. Rebecca Lost hatte langes, kräftiges Haar. Rechts am Nacken, unter ihrem offenen Haar, fand der Gerichtsmediziner eine kleine runde Hautverbrennung von der Größe eines Hemdknopfs. Fünf Zentimeter daneben war eine weitere Verbrennung, allerdings wesentlich kleiner als die erste. Der hohe Anteil an weißen Blutkörperchen im Umkreis der beiden Verletzungen deutete darauf hin, dass sie dem Opfer kurz vor, aber nicht direkt zum Zeitpunkt des Todes zugefügt worden waren.
    Dem Obduktionsbefund zufolge stammten die Verbrennungen von einer Betäubungspistole, einer Waffe, die eine starke elektrische Ladung abgibt und die getroffene Person je nach Stärke des Stromstoßes mehrere Minuten oder auch länger handlungsunfähig oder bewusstlos macht. Normalerweise hinterlässt der Stromstoß einer Betäubungspistole da, wo die zwei Kontakte auf die Haut treffen, zwei kleine, fast nicht erkennbare Spuren. Werden allerdings die Kontakte unterschiedlich fest gegen die Haut gedrückt, kommt es häufig zu einem Funkenüberschlag, der Hautverbrennungen hervorruft, wie sie an Becky Losts Nacken zu beobachten gewesen waren.
    In der Zusammenfassung des Obduktionsbefunds wurde auch vermerkt, dass bei der Untersuchung der zum Zeitpunkt der Entdeckung bloßen Füße des Opfers keine Erdreste, Schnitte oder Aufschürfungen gefunden wurden, was eigentlich zu erwarten gewesen wäre, wenn das Mädchen im Dunkeln barfüßig den Berg hinaufgegangen wäre.
    Bosch trommelte mit
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