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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Val McDermid
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gelangte ungesehen bis in den Garten auf der Rückseite des Hauses. Er hatte keine Gelegenheit gefunden, die Rückseite des Hauses auszukundschaften und wusste nicht einmal, ob es dort Bewegungsmelder gab. Dieses eine Mal war er bereit, das Risiko einzugehen. Diese Zielperson stellte schließlich keine Herausforderung für ihn dar. Bei einer alten Frau, die eine Flasche Wein intus hatte, würden nicht unbedingt sofort alle Alarmglocken angehen, nur weil sich das Licht im Garten hinter dem Haus plötzlich einschaltete. Selbst wenn sie es bemerkte, würde sie wahrscheinlich an eine Katze oder einen Fuchs denken.
    Aber als er dort angekommen war, blieb alles dunkel. Es war völlig ruhig, bis auf ein weit entferntes Rauschen des Verkehrs. Er stellte seine Reisetasche ab und kauerte sich daneben. Dann entnahm er der Tasche einen Papieroverall, wie ihn auch die Spurensicherung der Polizei zu tragen pflegte, und legte ihn an. Er wäre fast zu Boden gegangen bei dem Versuch, seine Armprothese in den Overall zu stecken, ohne die Steckverbindungen herauszureißen. Nun kamen Schuhüberzieher aus Plastik und blaue Gummihandschuhe. Es ging ihm hierbei gar nicht um die Vermeidung forensisch auswertbarer Spuren. Das war ihm völlig egal. Doch er wollte hier möglichst zügig wieder wegkommen und die Fahrt zurück nach Vinton Woods nicht von oben bis unten mit Blut besudelt antreten. Ein solcher Mangel an Sorgfalt könnte zu Recht mit einem Autounfall und dessen Konsequenzen bestraft werden.
    Vance erhob sich, lockerte die Schultern und streckte sich, damit der Overall richtig am Körper anlag. Dann griff er nach dem Brecheisen und legte das Messer auf die Fensterbank neben der Hintertür. Nachdem er die Tür genau gemustert hatte, um herauszufinden, wo die Schwachpunkte waren, musste er lächeln. Die frühere, solide Holztür war durch eine moderne Glastür ersetzt worden, die natürlich wesentlich schwachbrüstiger war. Der Rahmen war glücklicherweise aus Holz und nicht aus Kunststoff. Moderne Holztüren waren in der Regel aus weichem Holz gefertigt, das relativ leicht splitterte und brach. Das hier war für ihn keine Herausforderung.
    Er betastete zuerst den oberen, dann den unteren Teil der Tür, um zu prüfen, ob innen eventuell Riegel waren, doch offenbar hatte Hill versäumt, seine gute Freundin DCI Jordan hierher einzuladen und das Haus seiner Mutter gegen Einbrüche absichern zu lassen. Die Tür war nur durch ein einfaches Steckschloss geschützt.
    Vance setzte die Brechstange an der günstigsten Stelle zwischen Tür und Pfosten an. Die Spalte war sehr schmal, doch er war stark genug, das Eisen hineinzudrücken, und das weiche Holz der Tür wurde dadurch bereits eingedellt. Er versuchte, den Druck auf das Schloss zu erhöhen, bevor er kurzerhand damit begann, es aufzubrechen.
    Als er spürte, dass er die optimale Hebelwirkung gefunden hatte, lehnte er sich mit seinem vollen Gewicht gegen die Brechstange. Anfänglich wurden seine Bemühungen nur durch ein leises Knarren des Holzes belohnt. Er drückte fester und gab dabei ein leises Stöhnen von sich, das wie der Aufschlag eines Tennisballs klang. Dieses Mal fühlte er, dass etwas nachgab. Er pausierte kurz, um neu anzusetzen, und versuchte nun erneut mit aller Kraft, das Steckschloss aus seiner Halterung zu drücken. Mit einem lauten metallischen Knacken und dem Geräusch von splitterndem Holz sprang die Tür auf.
    Hochzufrieden mit seinem Werk stand Vance nun keuchend auf der Schwelle. Er fasste das Brecheisen mit seiner Handprothese, sorgsam prüfend, dass er es sicher im Griff hatte. Es war erstaunlich, wie gut das funktionierte. Er konnte tatsächlich »fühlen«, dass er etwas in der Hand hielt, und spürte genau, wie viel Druck er aufwenden musste, um es zu halten. Und diese Schweine hatten ihm den Zugang zu dieser Technologie verweigern wollen. Er schüttelte den Kopf und lächelte, als er an seinen Triumph vor dem europäischen Gerichtshof zurückdachte. Doch jetzt war nicht die Zeit, sich an vergangenen Siegen zu ergötzen. Es gab Arbeit zu erledigen. Vance ergriff das Messer mit der sieben Zoll langen Klinge, das er zuvor auf der Fensterbank abgelegt hatte, und betrat die Küche.
    Es überraschte ihn sehr, dass von Vanessa Hill weit und breit nichts zu sehen war. Er hatte zwar nicht viel Lärm gemacht, doch die meisten Menschen nahmen unerwartete Geräusche in ihrem Haus unbewusst wahr, vor allem, wenn sie alleine waren. Ungewohnter Lärm ließ die Leute
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