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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Val McDermid
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Erfolge produzierte.
    Man konnte durch das Glas erkennen, dass drinnen das Licht angeschaltet wurde, dann drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und Vanessas Gesicht erschien in der Öffnung. Ihr Haar war zerzaust, so als wäre sie gerade geweckt worden. Ambrose und Singh hielten ihre Dienstausweise hoch und nannten Namen und Dienstgrad. Tony lächelte dünn und winkte ihr. »Hallo, Mutter«, grüßte er und klang plötzlich sehr erschöpft, denn so fühlte er sich auch.
    »Das ging ja schnell«, meinte Vanessa und öffnete die Tür nun ganz. Jetzt sah man, dass ihr Kaftan von der Brust abwärts bis zu den Oberschenkeln mit einem dunkelroten Fleck besudelt war. »Ich habe gerade erst die Notrufnummer gewählt. Kommen Sie doch rein.«
    Ambrose drehte sich zu Tony um und warf ihm einen schockierten Blick zu. Tony wurde schwindelig; er drückte sich an den Polizisten vorbei und betrat das Haus, während Vanessa einladend die Tür aufhielt.
    Sie deutete auf die angelehnte Wohnzimmertür und stellte sachlich fest: »Da gehen Sie besser nicht rein. Sie würden das wahrscheinlich als Tatort bezeichnen. Aber wir können ins Esszimmer gehen. Da war er nicht drin, also können wir da auch keine Spuren verwischen.« Sie ging voran durch den Hausflur und öffnete eine weitere Tür. »Kommt einfach alle rein, und steht nicht so hier herum.«
    Ambrose machte einen Schritt nach vorne und stieß die Wohnzimmertür ein bisschen weiter auf. Tony kam näher, so dass er an ihm vorbeischauen konnte. Ein Mann lag dort am Boden, bewegungslos wie eine Marionette, Arme und Beine nach allen Seiten ausgestreckt, die blonde Perücke war vom Kopf gerutscht. »Das ist Vance«, sagte Tony. »Ich erkenne ihn wieder.« Vance’ Overall war aufgerissen. Sein Bauch war hellrot, und überall um in herum war Blut auf dem Teppich. Sein Brustkorb bewegte sich nicht. Tony wusste nicht viel über Notfallmedizin, doch er schätzte, dass kein Rettungssanitäter Vance mehr helfen konnte.
    »Sie hat ihn getötet?«, fragte Ambrose ungläubig.
    »Sieht so aus«, entgegnete Tony.
    »Das scheint Sie nicht sonderlich zu überraschen.«
    Tony fühlte sich, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. »Bei Vanessa hat mich noch nie etwas überrascht. Fragen wir sie doch, was sie uns zu erzählen hat, bevor die örtlichen Kollegen anrauschen.«
    Sie folgten Singh und dem anderen Polizisten ins Esszimmer, wo Vanessa bereits am Kopfende des Tisches Platz genommen hatte. Als sie eintraten, sagte sie: »Tony, hol mir einen Brandy. Im Sideboard stehen eine Flasche und Gläser.«
    »Sie sollten besser nichts trinken«, empfahl Ambrose. »Sie stehen unter Schock.«
    Vanessa bedachte ihn mit dem verächtlichen Blick, den ihre Mitarbeiter so fürchteten. »Von wegen Schock«, schnauzte sie und klang dabei in beängstigender Weise wie die Schauspielerin Patricia Routlege in ihrer Rolle als die blasierte Hyacinth Bouquet. »Das hier ist mein Haus und mein Brandy, und von Ihresgleichen lasse ich mich nicht herumkommandieren.«
    »Glauben Sie mir, es ist einfacher, nicht zu widersprechen«, erklärte Tony, öffnete das Sideboard und machte seiner Mutter einen Drink. Er brachte ihr das Glas und fragte: »Was ist passiert?«
    »Er ist durch die Hintertür eingebrochen. Ganz ungeniert platzte er einfach in mein Wohnzimmer, bewaffnet mit einem Brecheisen und einem Messer. Natürlich habe ich ihn sofort erkannt.« Sie nahm einen Schluck Brandy und schürzte die Lippen. Zum ersten Mal, seit die Polizisten hereingekommen waren, fiel ihre Maske für einen Moment und ließ Alter und Erschöpfung erkennen, die sie normalerweise durch Kosmetik und Willenskraft verbarg. »Um ehrlich zu sein, hatte ich ihn erwartet.«
    »Ihn erwartet?« Ambrose klang so verdattert, wie Tony sich gerade fühlte.
    »Ich schaue immerhin Nachrichten, Sergeant. Und ist Ihr Rang nicht ein bisschen niedrig für eine Mordermittlung?«
    »Sergeant Ambrose ist nicht aufgrund deines Telefonanrufs hier. Er ist hier, weil wir auf der Jagd nach Vance waren.«
    Vanessa lachte trocken. »Da hättet ihr aber ein bisschen früher hier sein sollen, oder nicht?« Sie schüttelte frustriert den Kopf. »Ich habe vorhin die Nachrichten gesehen und das Haus erkannt, das Eddie dir in Worcester hinterlassen hat. Und ich hatte bereits das mit dem Bruder deiner Freundin gehört.«
    Ambrose warf Tony einen erschrockenen Blick zu.
    Tony seufzte. »Sie ist nicht meine Freundin. Wie oft soll ich das
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