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Verfuehrung

Titel: Verfuehrung
Autoren: Amanda Quick
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waren sehr geschickt, wenn es um das Ausnützen schwacher Männer ging.
    Möglicherweise spielte auch ihr Alter eine Rolle. Anfangs hatte Julian ihr Alter als Vorteil betrachtet. Er hatte bereits eine junge, unbezähmbare Ehefrau hinter sich, und eine war in der Tat genug. Er hatte genug Szenen, Wutanfälle und hysterische Ausbrüche von Elizabeth erlebt, sie reichten für ein ganzes Leben. Er hatte geglaubt, eine ältere Frau wäre vernünftiger und weniger anspruchsvoll, schlicht gesagt, einfach dankbarer.
    Das Mädchen hatte natürlich hier auf dem Land keine allzu großen Chancen gehabt, ermahnte sich Julian. In der Stadt wäre die Auswahl aber auch nicht wesentlich größer für sie. Sie war ganz bestimmt nicht der Typ, der die Aufmerksamkeit der übersättigten Herren des Ton erregen würde. Solche Männer betrachteten sich als Connaisseurs weiblicher Schönheit, genau wie sie sich als Experten für Pferde betrachteten, keiner würde Sophy auch nur zweimal ansehen.
    Nachdem sie weder eine rassige Dunkelhaarige noch eine engelsgleiche Blondine war, entsprach sie kaum der gängigen Mode. Sie hatte hübsche hellbraune Locken, die aber offensichtlich nicht zu bändigen waren. Ständig hingen ihr Strähnen aus dem Hut oder lösten sich aus einer mühsam arrangierten Frisur.
    Sie war wirklich keine griechische Göttin, wie sie in London gerade der letzte Schrei waren. Doch Julian mußte zugeben, daß ihre leichte Stupsnase, das sanft gerundete Kinn und ihr herzliches Lächeln ganz niedlich waren. Es wäre sicher keine allzu große Strapaze, sie oft genug zu besteigen, um einen Erben zu zeugen.
    Und, zugegeben, Sophy hatte wirklich sehr schöne Augen. Sie waren ganz ungewöhnlich türkis, mit kleinen goldenen Flecken. Außerdem war es recht interessant und auch befriedigend, daß die Besitzerin offensichtlich keine Ahnung hatte, welche Wirkung sie beim Flirten erzielen konnten.
    Anstatt vorsichtig durch die Wimpern nach einem Mann zu lugen, hatte Sophy die beunruhigende Angewohnheit, ihn direkt anzusehen. Ihr Blick war so offen und aufrichtig, daß Julian überzeugt war, Sophy hätte die größten Schwierigkeiten mit der eleganten Kunst des Lügens. Auch das gefiel ihm. Es hatte ihn fast zum Wahnsinn getrieben, die Handvoll Wahrheiten herauszupicken, die sich in Elizabeths Lügengespinsten verbargen.
    Sophy war schlank, nur leider betonte die gängige Mode mit hoher Taille ihre doch sehr kleinen Brüste. Aber sie hatte so etwas Lebendiges, Gesundes, was Julian sehr anziehend fand. Er wollte keine kränkelnde Frau, die hatten immer Schwierigkeiten im Kindbett.
    Doch dann wurde Julian klar, daß er bei der geistigen Bestandsaufnahme der körperlichen Vorzüge seiner Frau offensichtlich gewisse Aspekte ihrer Persönlichkeit nicht in Betracht gezogen hatte. Er hätte sich nie träumen lassen, daß sich hinter dieser lieben, sittsamen Fassade Eigensinn und Stolz verbargen.
    Sophys Stolz war es wohl gewesen, der ihr nicht erlaubte, angemessene Dankbarkeit zu zeigen. Und ihr Eigensinn war wesentlich ausgeprägter als vermutet. Ihre Großeltern waren offenbar sehr beschämt über den unerwarteten Widerstand ihrer Enkelin, aber völlig machtlos dagegen. Wenn einer die Situation retten konnte, dann nur er, soviel war Julian klar.
    Seine Entscheidung fiel, als die Kutsche vor dem imposanten Eingang zu Ravenwood Abbey mit den beiden geschwungenen Treppen hielt. Er stieg aus, schritt die steinerne Treppe hinauf und erteilte gelassen einige Befehle, sobald sich die Tür geöffnet hatte.
    »Schick eine Nachricht in den Stall, Jessup. Der Rappe muß in zwanzig Minuten gesattelt bereit stehen.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    Der Butler gab den Befehl an einen Lakaien weiter, und Julian überquerte rasch den schwarz-weiß gekachelten Marmorboden der Halle und stieg die mächtige, mit rotem Teppich belegte Treppe hinauf.
    Julian registrierte die prachtvolle Umgebung kaum. Er war zwar hier aufgewachsen, aber seit den Anfängen seiner Ehe mit Elizabeth interessierte ihn Ravenwood Abbey kaum mehr. Einst hatte er für das Haus denselben Besitzerstolz empfunden wie für die fruchtbaren Ländereien, die es umgaben, aber jetzt widerte ihn das Haus seiner Ahnen mehr oder minder an. Jedesmal, wenn er ein Zimmer betrat, fragte er sich, ob sie ihm wohl auch in diesem Raum Hörner aufgesetzt hatte.
    Das Land war natürlich eine andere Geschichte. Keine Frau konnte die guten, reichen Felder von Ravenwood oder seiner anderen Besitzungen besudeln. Auf das
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