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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Autoren: Alix Rickloff
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unmöglich.
    Das Lächeln der Frau zog ihn in die Tiefe.
    Wasser füllte seine Lunge. Sein Körper gab auf, und der Tod kam wie eine Geliebte.
    Er erwiderte ihr Lächeln. Und als er durch den Schleier zwischen ihnen trat, konnte er sie endlich in die Arme nehmen.
    »Sabrina! Wo stecken Sie schon wieder? Antworten Sie, oder die Götter mögen Ihnen beistehen …«
    Normalerweise hätte eine solche Drohung Lady Sabrina Douglas aus ihrem Versteck herausschießen lassen wie eine Kugel aus einer Waffe. Aber heute nicht. Heute war es anders. Es war der Sechzehnte des Monats, und heute vor sieben Jahren war ihre Welt aus den Fugen geraten, und seitdem war nichts je wieder wie zuvor gewesen.
    Normalerweise vergeudete sie nicht viel Zeit damit, Erinnerungen an die Vergangenheit nachzuhängen. Die Priorin der Schwestern des Hohen Danu sagte, es sei sinnlos, sich mit Fragen nach dem Was-wäre-wenn auseinanderzusetzen. Man könne sich so in den unendlichen Möglichkeiten von Ursache und Wirkung verstricken, dass die Wirklichkeit gefährlich lebensfern wurde. Selbst zum Wahnsinn könnten solche Ratespiele führen, meinte sie.
    Doch heute forderte Sabrina diesen Wahnsinn geradezu heraus. Sie hatte sich dazu gezwungen, sich alles, was an jenem lang zurückliegenden Novembertag geschehen war, vom Anfang bis zum Ende in Erinnerung zu rufen und es in hektischem Gekritzel aus ihrem Kopf in ihr Tagebuch einfließen zu lassen. Bei Schwester Brighs erstem Ruf war sie mit ihren Aufzeichnungen jedoch gerade erst bis zur Mittagszeit jenes unheilvollen Tages gekommen.
    »Sie undankbare, undisziplinierte Range! Kommen Sie sofort heraus!«
    Wenn Schwester Brigh schimpfte, kam Sabrina sich nicht wie die zweiundzwanzigjährige Frau vor, die sie war, sondern eher wie eine ungehorsame Zehnjährige. Aber andererseits betrachtete Schwester Brigh ja jeden, der jünger als sie selbst war, als aufsässiges Kind, was beinahe die gesamte bandraoi -Gemeinschaft mit einschloss. Schwester Brigh war hundert Jahre alt, wenn nicht sogar noch älter. Nur Schwester Ainnir kam ihr altersmäßig gleich. Die beiden waren wie vermooste Überbleibsel aus vergangenen Jahrhunderten.
    »Sabrina Douglas! Ich weiß, dass Sie mich hören können!«
    Schwester Brigh war die weitaus Vermoostere der beiden – und die Lautere.
    Sabrina seufzte und steckte den Stift ins Tagebuch, um die Stelle zu markieren.
    Der sechzehnte November 1808 würde warten müssen, weil der sechzehnte November 1815 rief.
    Die Rufe der Priesterin verklangen, als sie die Scheune verließ, um ihre Suche auf Außengebäude wie Molkerei, Wäscherei und Gärtnerschuppen auszudehnen. Das Kloster war groß. Die Prinzipalin der Novizinnen würde Jahre brauchen, um überall nachzusehen.
    Sabrina erhob sich aus ihrem Versteck hinter den Strohballen und Getreidesäcken, klopfte den Staub von ihren Röcken und zupfte Schürze und Kopftuch zurecht, bevor sie zu der Geschäftigkeit des Klosterlebens zurückeilte. Und geradewegs in Schwester Brighs Hinterhalt geriet.
    »Erwischt!« Brighs Fingernägel bohrten sich in die dicke Wolle von Sabrinas Ärmel und drückten fest genug zu, um ihr die Tränen in die Augen zu treiben. »Ard-siúr hat mich über eine Stunde nach Ihnen suchen lassen. Und hier stecken Sie und verbergen sich, als gäbe es keine vernünftige Arbeit zu erledigen.« Verärgert riss sie Sabrina das Tagebuch aus der Hand. »Kritzeln Sie schon wieder in diesem dummen Buch herum? Sie sind mehr als einmal verwarnt worden, dass Sie Ihre Zeit nicht mit unsinnigem Zeug vergeuden sollen.«
    Sabrina versteifte sich und bedachte Schwester Brigh mit einem vernichtenden Blick. »Ich habe meine Zeit nicht vergeudet. Und ich hatte mich auch nicht versteckt.«
    Der Einwand wurde ignoriert. »Hmmpf. Kommen Sie! Sie haben Ard-siúr lange genug warten lassen.«
    Als sie durch den geschützten Kreuzgang gingen, versammelte sich eine Gruppe an den Außentoren. Überraschte und verwirrte Stimmen wurden laut, die sogar Schwester Brighs entschlossenen Blick von seinem Ziel ablenkten.
    Sabrina verrenkte sich den Hals, um über die Menge hinwegsehen zu können. »Was geht da vor?«
    »Ein Haufen Unsinn zweifelsohne«, antwortete Schwester Brigh und schnaubte verächtlich. »Zu meiner Zeit wäre das nicht passiert, da können Sie sicher sein.«
    Womit sie vermutlich irgendwann während der letzten Eiszeit meinte. Schwester Brigh in Tierfelle gehüllt und mit einem Knüppel in der Hand. Bei der Vorstellung musste Sabrina sich
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