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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Autoren: Alix Rickloff
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»Vielleicht sollte eine von uns bei ihm bleiben.«
    »Ich habe heute Nachtdienst«, erwiderte Sabrina mit einem Blick zurück zu dem Fremden, der sie erschaudern ließ – und nicht aus Aufregung. »Schwester Noreen ist jetzt hier. Ich kann Sie zu Ihrem Zimmer begleiten und wieder zurück sein, bevor sie dienstfrei hat.«
    »Dann nehme ich Ihre Hilfe dankend an, Sabrina. Dieser alte Körper ist nicht mehr so rege, wie er einmal war. Und ich habe festgestellt, dass ich mein Bett viel mehr zu schätzen weiß als früher.«
    Die beiden machten sich langsam auf den Weg über den Gang der Krankenstation. »Sie sind überaus begabt, mein Kind«, bemerkte Schwester Ainnir. »Lassen Sie sich von niemandem etwas anderes sagen.«
    Nun, da der Notfall vorbei war, erwachte Sabrinas Verbitterung wieder. »Schwester Brigh ist da anderer Meinung. Ich bin eine erwachsene Frau, aber sie behandelt mich wie ein Kind.«
    Schwester Ainnir blieb stehen, um Sabrina anzusehen. »Schwester Brigh fürchtet alles, was das empfindliche Gleichgewicht der Welt der Anderen , die wir uns geschaffen haben, stören könnte. Sie glaubt, unser Überleben hinge davon ab, uns von den nicht magisch begabten Duinedon fernzuhalten und keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Ihre Familie, Sabrina – oder vielmehr Ihr Vater –, glaubte das genaue Gegenteil. Ob Schwester Brigh nun recht hat oder nicht, in ihrer Denkweise macht Sie das zu einer Gefahr für uns.«
    »Wenn dem so ist, wie kann ich sie dann jemals dazu bringen, über die Sünden meines Vaters hinwegzusehen? Sie wird niemals meiner endgültigen Aufnahme in den Orden zustimmen.«
    Schwester Ainnir setzte sich wieder in Bewegung und zog Sabrina mit. »Brigh ist nicht die Einzige, die in solchen Angelegenheiten etwas zu sagen hat. Sie haben viele Verbündete in unserer Gemeinschaft, die Ihr Potenzial erkennen.« Die alte Nonne lachte. »Sehen Sie sich um! Glauben Sie nicht, ich wüsste nicht, wer diesen Ort am Laufen hält. Ich bin zu alt, um mit dem Tod zu kämpfen.«
    »Sie sind nicht alt, Schwester«, entgegnete Sabrina diplomatisch.
    »Und Sie sind eine miserable Lügnerin, mein Kind. Ich weiß sehr gut, wie alt ich bin. Ich spüre jedes meiner Jahre, besonders an Abenden wie diesem. Nein, es liegt bei Ihnen, diese Krankenstation zu übernehmen.«
    Bei ihr? Wollte Schwester Ainnir damit sagen, was Sabrina zu verstehen glaubte? »Ich bin noch keine Priesterin.«
    »Noch nicht, aber wer könnte Ihnen nach der heutigen Arbeit Ihre Befähigung absprechen?«
    Also hatte sie doch richtig verstanden. Eine so überwältigende Freude sprudelte in Sabrina auf, dass sie die Lippen zusammenpressen musste, um den Jubel zu ersticken, der ihr auf der Zunge lag. Freudenschreie wären höchst unangebracht für eine würdevolle bandraoi -Priesterin. Außerdem konnte sie die Kranken heilen, die Toten ins Leben zurückholen und gewöhnliche Erkältungen kurieren, und Schwester Brigh würde immer noch einen Grund finden, ihr die letzten Riten zu versagen. Und wahrscheinlich würde sie Sabrina neben all ihren anderen Vergehen auch noch der Eitelkeit beschuldigen.
    Nachdem sie die Krankenstation verlassen hatten, durchquerten sie die Eingangshalle und traten in die Nacht hinaus, wo der Wind an ihren Röcken zerrte und silbern umrandete Wolken über den Himmel zogen. Der blasse Mond, der hoch am Himmel stand, spiegelte sich in den schmutzigen Pfützen auf dem Hof wider.
    »Sie verfügen über ein angeborenes Talent und haben gelernt, es ebenso gut zu nutzen wie jede offiziell ernannte Siechenmeisterin.« Schwester Ainnirs dünne, angestrengte Stimme zitterte in der feuchten Kälte. »Was kann Ard-siúr dagegen sagen?«
    »Sie kann sagen: ›Vielen Dank, aber rechnen Sie nicht damit!‹ Ich bin eine Douglas, schon vergessen?«
    »Nein, natürlich nicht. Doch das allein schon sollte Ihr Schicksal als bandraoi besiegeln, denn die Douglas sind alle bekannt dafür gewesen, eine ungewöhnliche Feen kraft in sich zu tragen.«
    »Und der Fluch, der auf meiner Familie liegt?« Sabrina bemühte sich vergeblich, den Groll aus ihrer Stimme fernzuhalten.
    »Bah! Fluch! Solches Geschwätz lässt uns nur wie eine Herde alter, abergläubischer Weiber klingen.«
    Sabrina, die Schwester Ainnir stützte, bemerkte an diesem Abend zum ersten Mal Ainnirs Gebrechlichkeit, die knochigen, mit Altersflecken bedeckten Hände und die Schwäche ihres Griffs. War die heutige Arbeit zu viel für sie gewesen? Oder war sie schon länger so
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