Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfuehr mich

Verfuehr mich

Titel: Verfuehr mich
Autoren: Noelle Mack
Vom Netzwerk:
schnell. Bliss musste diesen Auftrag unbedingt an Land ziehen. Und dann musste sie sich ein innovatives Konzept einfallen lassen, weil man mit traditionellen Werbekampagnen heutzutage niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockte.
    Vielleicht wurde es auch Zeit, mal eine andere Karriererichtung einzuschlagen und sich eine Arbeit zu suchen, die weniger verdorben und schlecht für die Seele war wie die Werbebranche. Stofftiere entwerfen oder so etwas. Aber Stofftierentwickler waren wahrscheinlich auch nicht viel besser dran als alle anderen auch. Vielleicht sogar schlechter. All die Knopfnasen und Glasaugen würden sie früher oder später genauso runterziehen.
    Bliss wandte sich der Rückseite der Pressemappe zu, auf der eine Botschaft von Alf Sargent stand, dem bald in Ruhestand gehenden Vorstandsvorsitzenden und Sohn des Firmengründers. In ein paar kurzen Absätzen hob Alf die Höhepunkte des Geschäftsjahres bei HT hervor und stellte gleichzeitig seinen Nachfolger vor. Sein Name war Jasper Claybourn, und sein Foto – deutlich kleiner – war zusammen mit einem kurzen Lebenslauf in einer Ecke der Seite abgedruckt. Er sah nicht wie eine Managermumie aus. Und auch nicht wie ein Auftragsmörder. Er sah scharf aus. Bliss betrachtete das Foto eingehend und setzte sich auf. Sein Lächeln war echt.
    »Das geht ja wie das Brezelbacken!« In ihrer industriellen Anwendung erfuhr diese Redewendung eine ganz neue Bedeutung. Bliss Johnson wurde gerade eine offizielle Tour durch die HT -Fabrik zuteil, auf der sie die Herstellungsprozesse von Anfang bis Ende verfolgen konnte. Sie blickte von einer Galerie aus in riesige Bottiche, die mit einer heißen Masse gefüllt waren, aus deren Tiefen immer wieder träge Blasen hochstiegen. Blubb. Blobb. Blubb.
    Bliss versuchte, sich ein paar Worte abzuringen. Ihr war ein bisschen übel, denn der fruchtige Geruch war überwältigend. Der oberste Kuchenmann, ein Riese in weißem Overall und mit einem unpassenden Haarnetz, strahlte sie an. Bliss richtete ihr eigenes Haarnetz, steckte eine vorwitzige dunkelbraune Haarsträhne unter den Gummizug und lächelte zurück – und das obwohl sie mit dem blöden Ding wahrscheinlich wie eine Kantinenbedienung aussah.
    Ihr geliehener Overall war an den Handgelenken und Fußknöcheln hochgerollt und machte einen überaus unglamourösen Po. So viel zu ihrem kurzen Rock und dem ärmellosen roten Sweater. Bliss schaute herunter auf die Spitzen ihrer High Heels und seufzte innerlich. Unter all dem Zeug sah sie gut aus. Ihr Körper war fest, ihre Brüste auch, ihre Beine waren wohlgeformt und sie war mit dreißig attraktiver, als sie es mit zwanzig gewesen war. Unter den Sachen wohlgemerkt.
    Ihrer Begleitung jedoch schien es egal zu sein, wie sie aussah, denn der Mann war viel zu sehr mit seinem Vortrag beschäftigt. Er machte gerade einen Scherz über genmanipulierte Früchte, die bald von der Rebe direkt auf den Kuchen springen konnten, und erklärte die Software, die perfekte Schnörkel auf die Glasur von Muffins zauberte. Er ließ es sich außerdem nicht nehmen, über das höchst geheime Projekt Nussbällchen zu sprechen – ein Produktname, wie er schlimmer nicht sein konnte.
    Alf Sargent war offenbar fest davon überzeugt, dass Nussbällchen sich besser verkaufen würden als Muffins, besser als Kuchen und überhaupt besser als alles andere in der Geschichte von stranggepressten Süßwaren. Widerspruch wurde nicht geduldet. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende wollte unbedingt seiner vor Kurzem verstorbenen Mutter gedenken, die das Rezept entwickelt hatte.
    Er hatte Bliss bereits die gerahmten Zeitungsausschnitte von seiner Mutter gezeigt, die in ihrer Heimat Iowa den Status einer Legende hatte. Damals in den fünfziger Jahren hatte Mrs Sargent, eine junge Witwe, den ersten Preis bei einem nationalen Backwettbewerb gewonnen. Die Nussbällchen der Anfängerin aus Des Moines hatten in einem aufregenden Finale sogar die allseits favorisierten »Kamelhöcker« von Miss Mimi Abarbanel und die sagenumwobenen Gewürzschnitten von Mrs Elwood Clip geschlagen. Mit Tränen in den Augen zeigte Alf das Schwarzweißfoto, auf dem seine Mutter mit Fünfziger-Jahre-Brille, einem winzigen Blumenhütchen und einem Scheck über 25.000 Dollar in der Hand gerade heftig vom Preisrichter umarmt wurde.
    Allein der Blick auf das Foto rührte ihn so sehr, dass er auch Bliss umarmte. Und zwar richtig heftig … Sie befreite sich aus seiner Umklammerung, so schnell es eben ging.
    Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher