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Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)

Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)

Titel: Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
Autoren: Veronika Aretz
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Bluteichen sehen nicht mehr grün, sondern rotgolden aus und das Licht flirrt wie eine Fata Morgana.
    Einen Augenblick später ist alles vorbei.
    „Du hast Glück, dass du zu dieser Jahreszeit gekommen bist!“, sagt Benar. „Dieses Wunder kann man nicht oft erleben. Es lockt alle aus ihren Schlafgemächern hervor, siehst du?“
    Er zeigt zu den anderen Türmen der Burg, auf denen einige Menschen stehen.
    Eine Frau winkt mir zu. Wenn mich nicht alles täuscht, ist sie einmal unsere Nachbarin in Frankreich gewesen. Was macht sie hier? Und da, ist das nicht Malhofer, der Geschichtslehrer aus Birkenbleich?
    „Ah … äh … öh …“, artikuliere ich, als hätte ich nie sprechen gelernt. So langsam dämmert mir etwas. Ich schlucke, um dieses hässliche Gefühl zu unterdrücken, aber es denkt nicht daran. Es will mich quälen und Benar will es auch.
    „Ich erklär dir später alles. Jetzt wollen wir erst mal frühstücken. Du hast zwar schon das Obst verputzt, aber die frischen Hörnchen solltest du dir nicht entgehen lassen!“
    Ich folge Benar durch die Tür in das Treppenhaus.
    „Benjamin Nubanar!“, rufe ich – froh, dass mir sein kompletter Name eingefallen ist. „Was hat das zu bedeuten? Ich will es wissen! Jetzt! Sofort!“
    „Du gibst wohl niemals Ruhe, was? Genau wie damals in der Schule. Manch ein Lehrer war froh, als du fort warst.“(6)

    „Was bedeutet das? Wieso kenne ich so viele Leute hier? Warum bist du hier? Oder wieso warst du damals …“
    „Kannst du dir das nicht denken?“ Benar grinst schon wieder und ich frage mich, ob ich die Wahrheit wirklich wissen muss. „Wir haben auf dich aufgepasst. Auf dich und den Kristall. Wir wussten immer, wo du dich aufhältst, denn die Energie des Kristalls lässt sich messen. Es war gar nicht schwierig.“
    „Du meinst …“, sage ich atemlos, „… ihr habt mich überwacht? Ihr habt die ganzen 37 Jahre gewusst, wo der Kristall ist?“
    „Natürlich. Unsere Aufgabe war es, in deiner Nähe zu sein. Für mich war es ein sehr informativer Ausflug in unsere Vergangenheit, denn unsere Vorfahren stammen ja von der Erde ab. Das sollten wir nie vergessen.“
    „Aber warum habt ihr den Kristall nicht geholt, wenn ihr wusstet, wo er war?“
    „Wir wollen ihn nicht. Tora wartete nur auf die Gelegenheit, bis deine Eltern dich zurückholen würden. Dann wären wir ihnen gefolgt.“
    Als ich ihn nur entsetzt ansehe, fährt er entschuldigend lächelnd fort.
    „Als du den Kristall dann eingesetzt hast und deine Eltern niemanden geschickt haben, wussten wir, dass sie dich nicht abholen würden. Also hat Tora dich zu uns geholt. Du bist ihm doch nicht böse, oder?“
    Darauf kann ich nichts mehr sagen. Ich bin platt, weil ich das alles erst mal verdauen muss. Oder wie würdest du reagieren, wenn du dich eine Ewigkeit versteckst und glaubst, deine Feinde kennen deinen Aufenthaltsort nicht? Und irgendwann triffst du jemanden, der dir sagt: Ätschi-bätschi, reingelegt! Wir wissen alles! Da kannst du nur vor Wut deine Fingernägel abbeißen, in der Hoffnung, dass sich niemand mehr an dich erinnert. Ich jedenfalls stapfe mechanisch hinter Benar her und glaube, gleich zu sterben. Das ist so peinlich! Alle haben es gewusst! Alle – nur ich nicht!
    „Ich habe dich oft beneidet“, sagt Benar gut gelaunt zu mir. Wir gehen an einer Gruppe Frauen vorbei, die freundlich grüßen. Zwei von ihnen kenne ich, doch inzwischen klappt mein Mund nicht mehr wie bei einem strohdummen Nussknacker herunter. „Die zwei Jahre auf der Erde sind super gewesen. Ich fand es echt schade, als du fortgehen musstest. Die Erde zu erleben, ist viel besser, als Daten darüber zu studieren. Dank Tora ist es möglich, uns so weit zu entfalten.“
    „Dank Tora?“, murmele ich.
    „Ja, er lässt zu, dass wir unsere Neugier stillen. Besuche auf der Erde waren schon bei seinem Urgroßvater möglich, sein Vater und er selbst unterstützen die alten Traditionen. Wir können hier viel mehr lernen als ihr auf den anderen Welten.“(7)

    Ich schweige. Dazu kann ich nichts sagen. Vielleicht hätte ich geantwortet, wenn ich nicht die 37 Jahre auf der Erde hinter mir gehabt hätte. Ohne das Wissen, das ich von der Erde mitgebracht habe, würde ich mich anders fühlen. Viel leerer – nur dass ich es dann nicht wissen könnte.
    Wir erreichen den Speisesaal. Er ist mit wuchtigen Tischen und Bänken gefüllt, die ordentlich aneinandergereiht sind. Überall sitzen oder laufen Leute herum, Erwachsene sowie
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