Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
fühlen sich pudelwohl. Du hast dich auch immer pudelwohl gefühlt, wenn du als kleines Kind …«
    »Halt die Klappe, Leander«, schnitt ich ihm barsch das Wort ab. Er verstummte kurz und fing dann unbekümmert an, Frère Jacques zu summen.
    Manchmal hatte es wirklich überhaupt keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren.

En vogue
    Das Erste, was ich am nächsten Morgen tat, war, nach Leanders Klamotten zu gucken. Die Lederweste sah übel aus, doch die Boots hatten ihren Waschgang erstaunlich gut überstanden. Die Jeans fühlte sich noch klamm an und in den Sohlen der Boots quietschte das Wasser. Trotzdem nahm ich alles mit in mein Zimmer und schob es unters Bett, wo Leander leise vor sich hin schnarchte. Mein Flickenteppich war verschwunden. Wahrscheinlich hatte er sich darin eingewickelt.
    »Zieh dich an!«, rief ich. »Hey! Leander! Aufwachen!«
    »Hast du was gesagt, Luzie?«, drang Mamas Stimme aus dem Flur.
    »Nein, hab ich nicht!«, schrie ich zurück. Kaum fünf Minuten wach und schon die erste Lüge. Grummelnd und gähnend zwängte sich Leander in die feuchte Jeans und die Boots. Nur das Rippenhemd und seine Calvin-Klein-Unterhosen waren völlig trocken. Das musste reichen.
    Ich sagte Mama, dass ich Weihnachtsgeschenke kaufen gehen würde. Auf das Frühstück verzichtete ich, denn wir waren schon spät dran und die Sache würde ohnehin kompliziert werden.
    »Da«, beschloss Leander, als wir aus der S-Bahn gestiegen waren und uns im Rathaus-Center umsahen, und zeigte auf den New Yorker. »Laute Musik, kaum Kunden, große Umkleidekabinen. Wir müssen ja zusammen rein«, fügte er erklärend hinzu. »Sonst geht jemand in die Kabine, wenn ich drin bin, fühlt mich oder sieht die Klamotten durch die Luft tanzen – nicht gut. Sie werden erst unsichtbar, wenn sie mir gehören. Länger als eine Stunde.«
    »Wie wär’s mit einer anderen Lösung«, schlug ich vor. »Du gehst weit genug von mir entfernt in den Laden und klaust etwas …«
    »Erstens«, sagte Leander wichtig. »Klauen ist vollkommen inakzeptabel. Zweitens: Wenn ich keinen Körper habe, kann ich auch nichts anprobieren. Logisch, oder?«
    Ja. Logisch. Zehn Minuten später schob ich ungeduldig einen Kleiderbügel nach dem anderen zur Seite, während Leander mir seine Kommentare und Kommandos ins Ohr flüsterte. Zwischendurch sah er sich immer wieder argwöhnisch um. Aber wir waren tatsächlich fast allein und es tummelten sich keine Kinder in der Nähe.
    »Das da, das will ich haben! Das ist cool.«
    Leander hatte ein langärmliges Shirt von einem Kleiderständer zwei Meter weiter genommen und mir in die Hand gedrückt. Die Verkäuferin an der Kasse wandte sich zu uns um und sah mich irritiert an. Natürlich sah sie mich irritiert an, denn das Shirt war einen Moment lang durch die Luft gewandert. Ich lächelte betont freundlich zu ihr herüber. Sie rieb sich die Augen und lächelte etwas weniger freundlich zurück.
    »Umkleidekabine«, befahl Leander. »Die unter den Lautsprecherboxen. Da kannst du auch was sagen.«
    Und das wollte ich zu gerne.
    »Das ist ein Frauenshirt!«, fauchte ich, als wir uns in die Kabine gequetscht hatten. Ja, es war ein schwarzes, enges Longsleeve mit einem verschnörkelten Elchkopf in Hellgrau und darüber stand in silbernen Lettern »Wilde Zeiten«. Eindeutig ein Frauenshirt. »Das ist nichts für dich!«
    »Oh, das ist es sehr wohl«, befand Leander. »Abwarten.«
    »Manchmal glaub ich, du bist schwul.«
    »Schwul, was ist das?«, fragte Leander zerstreut und zog sich Lederweste und das Rippenshirt aus. Seine Haut schimmerte bläulich – ob vor Kälte, wusste ich nicht. Vielleicht waren es auch Überreste seines Wächterdaseins.
    »Schwul bedeutet, dass zwei Männer sich lieben«, erklärte ich betreten. Hoffentlich hörte mich niemand.
    »Ach, ich weiß …«, rief er, als er seinen Kopf durch den Halsausschnitt zwängte. Sein Tuch rutschte aus den Haaren und ich fing es auf. Es war angenehm warm. Instinktiv wickelte ich es um meine eiskalten Hände.
    »Das ist ein Symptom von eurer schlimmsten Krankheit. Nein, Luzie, ich bin bestimmt nicht krank. Gegen Menschenkrankheiten sind wir immun. Ob Körperfluch oder nicht. Ich mache schließlich keine seltsamen und unlogischen Sachen, oder?«
    »Na ja, du hast gerade ein Frauenshirt angezogen und gestern nackt in Mamas Cosmopolitan gelesen … auf der Waschmaschine.« Ich hätte meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass Seppo so etwas niemals tun würde. Aber Leander war schon damit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher