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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig
Autoren: Bettina Belitz
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dass ich manchmal grinste, obwohl es keinen Grund gab zu grinsen. Oder aber ohne sichtlichen Anlass böse guckte. Doch sie kümmerten sich nicht darum. Ich war eben ein Mädchen und erst dreizehn. Pfff. Von wegen erst dreizehn. David Belle hatte sich meinen Run ansehen wollen – und zwar nur meinen. Und er hatte ihn »magnifique« gefunden. »Ich steck euch alle in die Tasche«, knurrte ich, ignorierte den Mann, der mich nun ausführlich musterte, und sah Leander gedankenverloren dabei zu, wie er sich über die Köpfe der Fahrgäste hinweg aus der Tür schwang, die Straße hinunterrannte und nach einigen Metern transparent und schließlich unsichtbar wurde.

Frau Holle
    Als ich nach Hause kam, fand ich mein Zimmer zu meiner größten Verwunderung leer vor. Kein Leander auf dem Schreibtisch und auch an der Heizung lehnte er nicht – sein bevorzugter Platz, um mir auf den Wecker zu gehen. Den Schreibtisch benutzte er meistens als Sitzgelegenheit, wenn er nachdachte oder beleidigt war. Ich lupfte vorsichtshalber die Bettdecke, doch darunter verbarg sich nichts außer meinem Schlafanzug und einem angebissenen Apfel, den Leander gestern Nacht als ungenießbar bezeichnet und mir danach unter die Füße geschoben hatte. Jetzt war der Apfel definitiv ungenießbar. Ich pflückte ihn von der Matratze und warf ihn in den Mülleimer.
    In der Küche roch es nach Zimt und frisch verbrannten Plätzchen. Sie warteten auf einem riesigen Holzbrett auf ihren rosafarbenen Zuckerguss, den Mama schon in einem Schälchen angerührt hatte. Er sah aus wie Leim mit Klumpen. Doch auch in der Küche war Leander nicht. In den vergangenen Tagen hatte er es sich angewöhnt, ohne mich durch die Wohnung zu schleichen. Da ich froh war, wenn ich mal ungestört sein konnte, gestattete ich ihm seine Rundtouren. Einzige Bedingung: Er durfte nicht allein duschen, obwohl ich viel Zeit dabei verlor, mit dem Gesicht zu den Kacheln zu sitzen und darauf zu warten, dass Monsieur seine Körperpflege vollendet hatte. Wenn er sich im Bad eingeschlossen hatte, musste ich dabei sein; alles andere war für meine Eltern nicht nachvollziehbar. Ganz zu schweigen davon, was passieren würde, wenn Leander nicht abschloss und meine Eltern hineinplatzten …
    Doch die Duschorgien von Leander hatten auch ihre gute Seite. Wenn er nicht französische Kinderlieder sang, hörte er mich französische Vokabeln ab und das hatte ich nötig. In der letzten Arbeit hatte ich zwar eine Drei geschafft, doch meine mündlichen Leistungen waren immer noch »unterirdisch«, wie Frau Dangel zu sagen pflegte.
    Vorsichtshalber ging ich trotzdem zum Badezimmer und lauschte aufmerksam. Nein, es lief kein Wasser. Und mit einem Blick durchs Schlüsselloch überzeugte ich mich davon, dass das Licht aus war. Wo steckte Leander nur?
    »Junges Fräulein!« Ich zuckte heftig zusammen und haute mir dabei die Klinke gegen die Stirn.
    »Aua!« Ich drehte mich um. Mama stand im Flur, die Arme in die Seiten gestützt und ihr Haar wirr gelockt wie immer, wenn sie ärgerlich war. Sie sah mich durchdringend an. In solchen Momenten kam Mama mir vor wie ein Felsen, den selbst die stärksten Wellen nicht ins Schwanken bringen konnten.
    Mama war eine große Frau mit sehr breiten Schultern und einer völlig irrsinnigen Leidenschaft für Make-up und die Farbe Rosa. Irgendwie musste das mit ihrer Vergangenheit als Diskuswerferin zusammenhängen. »Kompensation. Reine Kompensation«, murmelte Papa immer, wenn Mama wieder mal eine seiner toten Omis geschminkt hatte, als solle die zu einem Model-Contest gehen. Ich wusste zwar nicht genau, was Kompensation bedeutete, doch Mama musste jedem und allen beweisen, dass sie eine Frau war. Und leider wollte sie mich bei sämtlichen passenden Gelegenheiten dazu überreden, es ihr gleichzutun.
    Jetzt war aber keine solche Gelegenheit. Jetzt gab es Ärger. Allerdings hatte ich heute wirklich noch nichts angestellt. Ich konnte mich zumindest an nichts erinnern. Und gelogen hatte ich auch nicht. Ich rieb mir die Stirn und sah sie rätselnd an.
    »Mensch, Mama, erschreck mich doch nicht so!«
    »Mitkommen«, befahl sie knapp. Schulterzuckend folgte ich ihr. Mit schwungvollen Schritten marschierte sie den Gang hinunter bis vor die Tür der Wäschekammer.
    »Kannst du mir das erklären, liebe Luzie?«, fragte sie streng.
    »Was?«
    Mama zeigte geziert auf die Tür, was bei ihr aussah, als wolle sie einen Schwarm Fliegen mit einer einzigen Bewegung in der Luft erschlagen.
    »Überzeuge
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