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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord
Autoren: Wahlberg
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Scheinwerferlicht, die erleuchteten Stallplätze der Bauernhöfe und helle Häuserfenster. Streckenweise war die Geschwindigkeit auf fünfzig begrenzt. Es war fast überhaupt kein Verkehr, und er konnte wirklich Gas geben. Aber vermutlich hatte er ja gar keinen Grund, sich so zu beeilen. Er schaltete das Radio nicht ein, weil er das Handy hören wollte, wenn es klingelte. Er versuchte sich auf die Begegnung mit den Schwestern einzustellen. Er wollte sie nicht unnötig in Aufregung versetzen, sie sollten die Situation jedoch ernst nehmen.
    Auf dem Hinweg waren sie an der Abzweigung zur Klinik Orup vorbeigefahren, er wusste also ungefähr, wo sie lag. Bei der langen Steigung verlangsamte er, sah das Schild und bog ab. Er kam an großen Einfamilienhäusern vorbei und dann an einem schwarzen Wäldchen. Plötzlich lag das Krankenhaus vor ihm, weiß angestrichen und beleuchtet und mit einem Turm in der Mitte. Wie eine Kreuzung aus einer Burg und einem Schloss.
    Er parkte auf dem großen fast leeren Parkplatz. Es gab viele Eingänge, die aber alle abgeschlossen zu sein schienen. Dann fand er Schilder, die zu einer Art Notfalleingang ungefähr in der Mitte des Gebäudes führten.
    Schwester Tuula stand im Arzneimittelraum, der auch »Beichtstuhl« genannt wurde. Er lag außerhalb der Station im Treppenhaus und war mit einem ordentlichen Schloss gesichert. Sie hatte die Tür angelehnt und beabsichtigte, wieder ordentlich hinter sich abzuschließen. Ihre Kollegin von der Station war gerade mit einem Korb mit der Abendmedizin die Treppe hinuntergegangen. Hier trafen sich die Stationen. Diese Regelung war praktisch, und vor allen Dingen war es von großem Vorteil, dass nicht alle Stationen Räumlichkeiten für die starken und in gewissen Kreisen sehr begehrten Arzneimittel zur Verfügung stellen mussten. Außerdem konnte man hier ganz ungezwungen und ungestört ein paar Worte miteinander wechseln.
    Plötzlich hörte sie Geräusche aus dem unteren Treppenhaus. Als atmete jemand heftig. Sie wartete und lauschte auf Schritte, hörte aber keine. Sie überlegte, ob sie nachsehen gehen sollte. Vielleicht hatte ja einer der Patienten einen Asthmaanfall erlitten? Aber erst musste sie mit dem Korb mit den Medikamenten auf ihre Station gehen. Sie schloss den Arzneimittelraum ab, öffnete dann die Stationstür und ging mit dem Korb ins Schwesternzimmer und stellte ihn dort ab. Dann kehrte sie ins Treppenhaus zurück, konnte den angestrengten Atem aber nicht mehr hören. Vermutlich einer der Burschen mit dem Rückenmarkstrauma, der mit dem Rollstuhl nach draußen gefahren ist, um zu rauchen, dachte sie und ging zurück ins Schwesternzimmer.
    Sie drehte sich nicht um, um zu sehen, ob die Tür auch richtig ins Schloss fiel.
    Sie hörte die Tür quietschen und drehte sich im Bett um. Ein schwacher Lichtschein fiel vom Korridor ins Zimmer. Jemand schloss vorsichtig die Tür hinter sich und kam ins Zimmer. Vermutlich die Nachtschwester, dachte Cecilia müde. Was will die?
    Sie schlief wieder ein. Als sie sich später im Bett umdrehen wollte, merkte sie, dass jemand auf der Bettkante saß. Sie tastete in der Dunkelheit. Eine Person.
    »Ist was?«, fragte sie schlaftrunken.
    »Nein«, hörte sie eine Männerstimme.
    Sie wurde wach.
    »Wer bist du?«
    »Ich bin’s nur«, erwiderte die Stimme.
    »Ich?«
    Sie war sich unsicher, obwohl sie fand, dass ihr die Stimme irgendwie bekannt vorkam.
    »Mach das Licht an«, bat sie.
    »Nicht nötig. Ich sitze hier nur etwas im Dunkeln und halte deine Hand.«
    »Meine Hand?«
    Sie ließ es geschehen, obwohl es ihr seltsam erschien.
    »Ja«, sagte er und drückte sie.
    Sie versuchte sich einen Reim darauf zu machen, wollte, dass es irgendeinen Sinn ergab. Ein Mann, der mitten in der Nacht reinkam, sich auf ihr Bett setzte und ihre Hand hielt, obwohl sie nicht darum gebeten hatte. Nein, da stimmte doch etwas nicht? Es musste daran liegen, dass sie neuerdings so komisch im Kopf war. Die Leute machten einfach mit ihr, was sie wollten. Manchmal war sie auch einfach allen egal. Aber ihm war sie jedenfalls nicht egal.
    »Warum?«, fragte sie schließlich trotzdem.
    »Weil du lieb bist«, sagte er.
    »Lieb?«, wiederholte sie leise.
    »Lieb zu mir«, sagte er.
    »Zu dir?«
    Merkwürdig, dachte sie. Zu wem war sie da lieb?

    Etwa eine halbe Stunde später klingelte es an der Tür. Tuula hatte noch nicht alle Schlaftabletten verteilt. Sie hatte keine Ahnung, wo Brita gerade steckte. Vermutlich war sie in einem der
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