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Verbrechen ist Vertrauenssache

Verbrechen ist Vertrauenssache

Titel: Verbrechen ist Vertrauenssache
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Fehler, es wäre besser, dieses verfluchte Geld zu verbrennen, als –«
    Parker schloss die linke Hand um Carmodys rechten Daumenund bog ihn ganz leicht nach hinten. Carmodys Gesicht wurde beinahe so bleich wie die verschmierte Schminke. Er ging leicht in die Knie, und sein Mund öffnete sich zu einem großen O. »Halt’s Maul«, sagte Parker. »Was du zu sagen hattest, hast du gesagt. Jetzt zeig uns den Weg zum Geldraum.«
    Carmody wollte etwas erwidern, doch Parker bog den Daumen ein wenig fester, und aus dem Mund des Engels kam nur ein zartes Wimmern. Gehorsam und mit großen Augen drehte er sich um, schlurfte in seinen Sandalen auf dem Betonboden, und dann gingen alle zusammen durch den in einem leichten Bogen verlaufenden Korridor; er wurde beleuchtet von Neonröhren, die in größeren Abständen an der Decke montiert waren. Es sah aus, als gingen Parker und der Engel Hand in Hand, flankiert von den anderen beiden – drei große, grobknochige, dunkelgekleidete Männer mit Gewehren hatten einen leicht ramponierten Engel in die Mitte genommen, der unter den nutzlosen Flügeln die Schultern hängen ließ.
    Der Gesang wurde lauter, aggressiver, als wollte man die Welt vom Übel befreien, indem man es anschrie. Nach links zweigte ein Gang ab, und da blieben sie stehen.
    Der Gang war dunkel und niedrig wie ein Tunnel und am Ende mit einem Drahtgitter versperrt. Jenseits des Gitters tauchte das Flutlicht die Arena in gleißendes Weiß, so dass man von da, wo Parker und die anderen standen, nicht genau erkennen konnte, was sich dort draußen auf dem Kunstrasen eigentlich abspielte. Da war eine Masse von Menschen, die ihnen den Rücken zuwandte, eine Masse, die hin und her wogte, so dass das Licht mal mehr, mal weniger stark reflektiert wurde. Das harte Weiß überstrahlte die Farben und machte die Schatten schwärzer als schwarz. Abgesehen vom brausenden Chor des Kirchenliedes, hätte das dadrinnenalles mögliche sein können: eine politische Kundgebung, ein Demolition Derby, ein Footballspiel. Das alles hatte hier schon stattgefunden, doch heute abend hieß die Attraktion, die zwanzigtausend Menschen in diese überdachte Arena im Herzen Amerikas gebracht hatte, William Archibald und sein Kreuzzug für Christus.
    Der Gesang verstummte. Man hörte das Scharren vieler Füße, als die Leute sich auf ihren Plätzen zurechtsetzten, und dann erklang Archibalds vielfach verstärkte sonore Stimme von überall her, als spräche sie aus einer Wolke zu ihnen. »Brüder! Schwestern! Mitmenschen!«
    »Komm«, sagte Parker und zog leicht an Carmodys Daumen.
    Carmodys Widerstand war gänzlich erloschen. Gefolgt von den beiden anderen, schlurfte er neben Parker dahin und schüttelte langsam den Kopf. »Ich hasse diesen Schweinehund«, murmelte er, doch es klang erschöpft und ohne Leidenschaft. »Ich hasse seine lügnerische Stimme. Ich hasse alles, was er tut. Ich sollte das Geld verbrennen und ihn gleich mit. Ihn auf dem Scheiterhaufen seines schmutzigen Geldes verbrennen.«
    Parker packte Carmodys Daumen ein wenig fester, gerade genug, um ihn wieder auf die Erde zu holen. »Wo ist der Geld-raum?«
    »Geradeaus.« In Carmodys Stimme lagen Schmerz und Überraschung. Er hatte nicht gewusst, dass er eine Strafe verdiente. »Einfach geradeaus.«
    »Konzentrier dich auf das, was wir tun.«
    Sie setzten ihren Weg durch den Korridor fort, der weiter im Bogen verlief, vor ihnen auftauchte und hinter ihnen verschwand, bis sie an eine braune Stahltür auf der Innenseite des Bogens kamen, auf der KEIN ZUTRITT stand. Parkerließ den Daumen des Engels los, und Carmody schloss sogleich die andere Hand darum – es sah aus, als würden zwei kleine Tiere einander trösten. »Los«, sagte Parker und stupste ihn mit dem Lauf der Flinte in die Seite. Das bläulich schimmernde Metall stocherte in den weißen Falten des Gewandes.
    Die drei Männer stellten sich in den Schatten rechts und links der Tür. Carmody stolperte einen Schritt voran, ließ zögernd den schmerzenden Daumen los und drückte auf den Knopf neben der Tür. Blinzelnd stand er da und glich im grellen Licht der Neonröhre über seinem Kopf eher einem Clown als einem Engel. Aus dem Gitter unter dem Klingelknopf ertönte eine rauhe Stimme. »Ja?«
    »Hallo, Harry, ich bin’s, Tom Carmody.« Die Stimme des Engels klang beinahe normal; sie zitterte fast gar nicht.
    »Hallo, Tom«, sagte die Stimme. »Komm rein.« Von der Tür her kam ein summendes Geräusch.
    Carmody drückte mit der
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