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Verbotene Lust

Verbotene Lust

Titel: Verbotene Lust
Autoren: Jule Winter
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stumm, und er erwiderte das Nicken knapp. Dann ging er.
    Sie hatte sich in den letzten Wochen an ihn gewöhnt. Aber es tat nicht weh, dass die Tür sich hinter ihm schloss. Es tat nicht weh zu wissen, dass er ein guter Freund gewesen war, der nun aus ihrem Leben verschwand.
    Sie hatte Wichtigeres zu tun.
    Seine Handynummer kannte sie auswendig.
    * * *
    Seit drei Tagen durfte er wieder in die Wohnung.
    Als Allererstes hatte er einen Reinigungsdienst beauftragt, der alle Räume gründlich putzte. Es waren nicht Marlenes Spuren, die an ihm zerrten, sondern das auf jeder Türklinke, jeder glatten Oberfläche und auf den Fensterscheiben verstäubte, feine Pulver zur Abnahme von Fingerabdrücken, das ihn permanent daran erinnerte, dass die Polizei die Wohnung auf den Kopf gestellt hatte.
    Und da sollte er sich sicher fühlen? Wirklich nicht.
    Daniel war an der Sache dran; das sagte er jedenfalls bei ihren täglichen Telefonaten. »Ich bin dran«, sagte er, wenn André fragte, ob er endlich wisse, wo Marlene sich versteckt halte. Er ertrug es nicht zu wissen, dass diese Verrückte irgendwo da draußen auf ihn lauerte. Ihn beobachtete.
    Er stand am Fenster und starrte in die verschneite Nacht, als sein Handy klingelte. Mit zwei Schritten war er am Couchtisch, obwohl er keine Hoffnung hatte; zuletzt waren es zu oft Journalisten gewesen, dieversuchten, ihm irgendwelche schmutzigen Details zu entlocken.
    Er sah ihren Namen und riss das Handy vom Glastisch hoch. Es glitt aus seinen Fingern, schlitterte über die Glasfläche und knallte auf den Fliesenboden, ehe er es auffangen konnte. Unverdrossen klingelte es weiter, er robbte auf Knien darauf zu und nahm atemlos das Gespräch an.
    »Sonja!«, rief er bloß.
    Sie lachte leise. »André.«
    Er sank mit dem Rücken gegen das Sofa. Saß auf dem Boden und wusste gar nicht, was er sagen sollte. »Mein Gott«, flüsterte er schließlich. »Du bist es wirklich.«
    »Hast du mit jemand anderem gerechnet, der mein Handy benutzt?«
    Er schloss für einen Moment die Augen. »Ja«, flüsterte er schließlich. »Ich habe Angst, dass sie …«
    Das Lachen wich aus ihrer Stimme. »Ich weiß«, erwiderte sie.
    »Daniel kümmert sich drum. Aber sie ist nicht aufzuspüren, und ich habe einfach Angst, dass unser Leben nie wieder normal sein wird. Dass wir nicht mehr normal sein werden, solange sie da draußen rumläuft und versucht, uns noch mal so etwas anzutun.«
    Sie schwieg diesmal länger, als müsste sie jedes ihrer Worte mit Bedacht abwägen. »Ich vermisse dich«, sagte sie schließlich.
    »Ich vermisse dich auch.«
    »Ich möchte dir so vieles sagen, dich so viel fragen … Ich möchte alles von dir hören, deine Sicht der Dinge. Ich weiß, ich habe es dir in den letzten beiden Wochen nicht leichtgemacht, aber …«
    »Das muss dir nicht leidtun«, unterbrach er sie hastig. Sie schwieg, und er spürte ihre Irritation, darum fuhr er fort: »Ich habe einen riesigen Fehler gemacht. Ich habe damals tatsächlich mit ihr geschlafen, in jener Nacht. Aber das, was du da gesehen hast, stammt nicht von diesem … Gott, ich war so dumm, Sonja! Ich hätte verdient, dass du mir nicht verzeihst, ich hab’s so gründlich verbockt!«
    Er holte tief Luft, und weil sie nicht antwortete, redete er weiter: »Ich habe darüber nachgedacht. Über den Pakt und das alles. Wozu brauchen wir diesen Pakt? Doch nur, weil wir glauben, es mit uns allein nicht auszuhalten. Aber das stimmt nicht. Für mich gibt es nichts Schöneres, als jeden Morgen neben dir aufzuwachen. Nichts Schöneres, als jeden Abend mit dir in meinen Armen einzuschlafen. Der Sex …« Ihm versagte die Stimme.
    »Sex ist nie das Wichtigste gewesen«, vollendete sie seinen Satz.
    »Ja. Wir haben ihn nur zum Wichtigsten gemacht.«
    »Weil wir Angst vor wahrer Intimität hatten.« Er hörte sie schluchzen.
    »Ich will nicht, dass du weinst.«
    »Komm her«, flüsterte sie nur. Sie nannte ihm eine Adresse. »Kannst du kommen? In einer Stunde?«
    Er sprang auf, wusste nicht, wo ihm der Kopf stand, so sehr erregte ihn die Vorstellung, sie in einer Stunde bereits wiederzusehen. Er lief in die Küche, riss ein Blatt Küchenpapier von der Rolle und schmierte die Adresse mit einem Kugelschreiber darauf. »In Lübeck?«, fragte er.
    »Komm einfach.«
    Sie legte auf.
    André ließ sein Handy sinken. Sie hat geweint, dachte er. Geweint und gelacht, als hätten sie einander endlich das gesagt, was ihnen wirklich half.
    Kein Pakt dieser Welt konnte ersetzen,
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