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Venus

Venus

Titel: Venus
Autoren: Elke Buschheuer
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Gähnen unterdrückend, schreibt eine Quittung aus, führt sie verschlafen und noch langsamer als sonst zu einem Zimmer, das etwas größer und schöner ist als das, in dem sie den Nachmittag verbracht hat. Er bleibt im Türrahmen stehen. Sie wirft ihm einen schmachtenden Blick zu undwünscht ihm eine gute Nacht. Er appliziert sein einziges Lächeln und geht.
    Sie schließt die Tür, lehnt sich dagegen, streicht mit den Händen über das lackierte Holz, seufzt, denkt an sein langes freundliches Gesicht, das von nichts als von buschigen Brauen überschattet wird. Sie rekapituliert die Kontur seines kahl rasierten Schädels, auf dem frische hellgraue Borsten sprießen, von denen sie annimmt, dass sie weich sind. Und sie fragt sich, woher wohl das herrische Kinn kommt, das im groben Gegensatz zu seiner aufreizenden Demut steht.
    Statt der Madonna hängt das Bild eines dicken Chinesen an der Wand, der ein furchterregendes rotes Gesicht hat und sich am eigenen Bart zieht. Sie bleibt, sie hat keine Ahnung, warum sie bleibt. Doch, sie weiß, warum. Natürlich weiß sie, warum. Sie ist ja nicht blöd, unsere Venus. Sie will, dass er sich freut, dass sie bleibt. Ob er sich freut, dass sie bleibt? Warum sollte sie sonst bleiben? Sie zieht sich aus und wirft sich dünn und weiß und nackt auf das wackelige Holzbett, das aussieht, als hätte ein Tischlerlehrling Ausschuss produziert.
    Schon am nächsten Morgen findet sie heraus, dass es zum Zuständigkeitsbereich des Bliss Swami gehört, kaputte Dinge zu reparieren. Im Verlauf des Tages bricht sie erst einen Haken an ihrem Kleiderständer ab, hat dann ein Problem mit der Klimaanlage, schraubt schließlich die Glühbirne aus der Fassung und lässt sie verschwinden, und das, obwohl eine verschwundene Glühbirne durchaus Verdacht erregen könnte. Sie hätte nichts dagegen, Verdacht zu erregen. Allerdings ist der Bliss Swami über jede Verdächtigung erhaben. Bei jeder Reparatur bittet er Venus, das Zimmer zu verlassen, daihm sein Mönchsstand verbiete, mit einer Frau allein in einem Zimmer zu sein.
    »Aber als Mönch«, haucht sie, »bist du doch ein Neutrum. Du bist unverführbar, sonst wärst du doch kein Mönch.«
    Er lächelt und schweigt und schraubt.
    »Kann man die Tür nicht abschließbar machen, bitte?«, fragt sie vom Sofa im Goldbrokatzimmer aus.
    Er sieht überrascht auf: »Warum?«
    »Damit mir niemand was stiehlt«, sagt sie.
    Er sieht sich wortlos im Zimmer um. Es ist vollkommen leer.
    Wie peinlich, denkt sie. Ich hab ja gar nichts.
    »Mein Herz!«, ruft sie albern und erschrickt über sich selbst.
    Der Bliss Swami lässt die Bemerkung unkommentiert. Mit etwas Glück hat er sie überhört. Vermutlich weiß er auch gar nicht, was das ist, flirten.
    »Ich hänge mein Herz an nichts«, sagt er schließlich, »das kann ich nur empfehlen. Dinge kommen zu dir und sie gehen weg. Menschen kommen zu dir und sie gehen weg. Es ist gut, wie es ist.«
    »Ihr redet alle so komisch«, sagt Venus, »und ihr heißt alle so komisch. Wofür habt ihr spirituelle Namen?«
    »In diesem Haus haben nur die Hindus spirituelle Namen. Bei den Juden, Moslems und Christen ist das nicht üblich.«
    »Ihr lebt hier alle zusammen?«
    Er nickt heiter.
    »Wir versuchen das Unmögliche.«
    Sie hat Mühe, sich nicht zu krümmen unter seinem Blick. Sie kann sich das nicht erklären. Irgendwas ist nicht richtig. Einerseits ist ihr vollkommen klar, dass sienicht hierher gehört, andererseits gäbe sie etwas drum, hierher zu gehören. Sie träumt sich in eine Nonnentracht, orange, mit Strick, vielleicht würde ihm das gefallen.
    »Wie heißt du richtig?«, fragt sie ihn.
    »Was meinst du mit richtig?«
    »Na, welchen Namen haben dir deine Eltern gegeben?«
    Er seufzt. »Dexter«, sagt er in einem Tonfall, der ausdrückt, dass es sich hier um Unwesentliches handelt. Die Sache ist allerdings auch zu unwesentlich, um sie zum Geheimnis zu erklären.
    »Soll ich dich Dexter nennen?«, fragt sie.
    »Das wird nicht nötig sein. Und dein Name?«, fragt der Bliss Swami. »Wo kommt dein Name her?«
    »Was?« Sie erschrickt. Sie betrachtet ihre spillerigen Klavierfinger, ihre ovalen Fingernägel. Der perlmuttene Nagellack blättert ab. Wie haben ihre Eltern sie genannt? Wird sie es je erfahren?
    »Von Botticelli? Von dem Bild? Oder von dem Planeten?«
    Oder vom Haartönungsmittel im Badschrank, denkt unsere Venus, unser Spielzeug, das arme verwirrte.
    »Du kannst dich nicht erinnern«, sagt der Bliss Swami, dem man
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