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Venus

Venus

Titel: Venus
Autoren: Elke Buschheuer
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von Alt und Neu, von Geistlich und Weltlich, ein alter Vierstöcker mit Flachdach und Feuerleitern neben einer schmalen neuen Kirche, die an einen umgedrehten Eiszapfen aus Beton erinnert. Am Eingang des Nebengebäudes hat Venus ein Schild mit der Aufschrift »Glückliche Sklaven Gottes« wahrgenommen.
    Toga empfängt sie und ortet sofort das Geldbündel in ihrer linken Faust. Unsere Venus hält Ausschau nach ihrem Ritter, sieht aber nur eine kirschgroße Kakerlake, die die Wand hinaufflitzt. Das ist ja ekelhaft, denkt sie. Dann macht sie erste Bekanntschaft mit Togas unvergleichlicher Art der Konversation.
    »Wie ist das Wetter draußen?«, säuselt er.
    »Tropisch«, sagt Venus, wie absichtslos herumlaufend und dabei in alle Gästezimmer spähend. Sie fröstelt, zu groß ist der Temperaturunterschied zwischen dem schwülen Draußen und dem von Klimaanlagen kaltgeblasenen Innen.
    »Wir sind so voll«, flüstert Toga und versucht, zu schätzen, wie viel Bargeld sein neuer Gast in der Hand hält.
    In der Tat spürt Venus ein gewisses Völlegefühl im Magen, das allerdings nicht das Gefühl der Leere in ihrem Kopf aufhebt. Oder meint der Bartzwerg die Zimmer? Sind inzwischen etwa alle Zimmer belegt?
    »Voll mit relativen Wahrheiten«, ergänzt Toga, der es über die Maßen liebt, in Rätseln zu sprechen, um für einen klugen Mann gehalten zu werden. »Wie das Wetter ist, wie spät es ist, wie der Präsident heißt …«
    Venus kann den Bliss Swami nirgends entdecken. Hatte der nicht noch vor kurzem von Leere gesprochen, die die Menschen herführte?
    »Dabei ist die relative Wahrheit unnütz, morgen schon nicht mehr wahr«, sagt Toga. »Deshalb ist sie ja relativ.« Er hat in Venus’ Hand einige Hunderter ausgemacht und schätzt die Summe auf mehrere tausend Dollar.
    »Aber kennst du die absolute Wahrheit?«, fragt er, während er verträumt an ihr vorbei auf die Wand blickt, als spreche er mit der Kakerlake, die er jedoch gar nicht wahrnimmt, denn das wäre ihr sofortiger Tod.
    »Nein«, sagt unsere Venus wahrheitsgemäß. Sie kennt ja nicht mal die Vergangenheit. Sie kennt ja nicht mal ihren Namen, und was will dieser Irre eigentlich von ihr.
    Der legt die Hand auf sein weißes Gewand, links unters Schlüsselbein, als wollte er einen Sultan grüßen.
    »Ich bin sicher, in deinem Herzen weißt du sie.«
    Ihr wird unheimlich zumute. Der Zwerg spricht mit ihr in einem Tonfall, in dem man mit Idioten spricht. Er beugt sich zu ihr und seine Stimme wird noch cremiger: »Die absolute Wahrheit ist, dass wir alle Diener Gottes sind.«
    Sie sitzt jetzt auf einem Stuhl, hat den Berg von zerknüllten Scheinen auf den Tisch geworfen, die dünnen weißen Beine übereinander geworfen und wippt nervös mit dem Fuß. Sie hat es, davon hat Toga ja noch keine Ahnung, auf einen ganz speziellen Diener Gottes abgesehen.
    »Ich selbst nenne mich sogar den Diener des Dieners«, sagt Toga, der sich wieder dem Tagesgeschäft zugewendet hat und mit dem Fragment eines Lappens Tische und Stühle abwischt, alle außer dem, auf dem Venus sitzt. Sie sollte lange Röcke tragen, denkt er wischend und keuchend, lange Röcke und Kopftücher in gedeckten Farben.Er denkt an Ramakrishna und seufzt. Sie sollte mehr fragen, denkt er. Und weniger Make-up benutzen. Und mehr essen.
    Er nimmt etwas vom Tisch und bewegt sich auf sie zu. »Möchtest du Prasadam?«
    Er hält ihr eine verbeulte Blechschale mit gelb gefärbtem dampfendem Kohl hin.
    Sie macht einen langen Hals. »Was ist das?«
    Das Tor zur Hölle, denkt er, ist die Frau. »Spirituelles Essen.«
    »Nein, wirklich nicht«, sagt sie und zieht die Nase kraus. »Ich hatte gerade Hotdog.«
    Toga erbleicht, ihm entfährt ein kleiner empörter Rülps. »Wir sind Vegetarier«, sagt er und räuspert sich. »Wir glauben daran, dass wir, wenn wir Fleisch essen, im nächsten Leben dafür bestraft werden.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagt Venus, »Kühe sind Vegetarier. Das scheint sie aber nicht davor zu schützen, im nächsten Leben Hotdogs zu werden.«
    Toga wirft den Lappen in die Ecke.
    »Ich war auch mal zynisch«, sagt er leise, kopfschüttelnd, während er seine haarigen Hände unterm Wasserstrahl des Küchenhahns vom Seifenschaum befreit, als sei dies eine rituelle Waschung. Dann lauter: »Bliss Swami hat mir gesagt, du möchtest bei uns ein Zimmer mieten?«
    An dieser Stelle sollten wir rasch Togas Geschichte zu Ende erzählen.
Toga (Fortsetzung)
    Fünf Jahre zuvor hatte der Guru seinen Körper
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