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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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auf die Pfütze in meinem Weinglas und konzentriere mich darauf, Sophia von hier wegzubeamen. Und richtig, ich kann förmlich spüren, wie sie beginnt, ein wenig flacher zu atmen. Hier kommt wieder einer meiner Lieblingswitze zum Tragen: Wie viele Therapeuten braucht man, um eine Glühbirne einzuschrauben? Antwort: Einen! Nur die Glühbirne muss auch wirklich wollen.
    Ich will nicht. Ich will noch einen Tequila. Mit einer ungeduldigen Handbewegung versuche ich, Sophia endgültig von dem Barhocker neben mir zu verscheuchen. Der Barkeeper deutet mein Gefuchtel als Wink, mir einen neuen Drink einzuschenken. Großartig! Zwei Fliegen mit einer Klappe! Was ist heute doch für ein großartiger Tag. Und Sophia bleibt tatsächlich nichts anderes übrig, als sich endlich zu trollen. Über die Schulter rufe ich ihr hinterher:

    »Siehst du jetzt, wer hier die Oberhand hat? Ha!« Da dreht sie sich mit einem Ruck zu mir um. Mit wenigen Schritten ist sie bei mir, funkelt mich mit ihren durch die Brillengläser unnatürlich vergrößerten grünen Augen an, öffnet den Mund und sagt:
    »Dein Freund ist schwul. Ach nein, jetzt ist er ja wohl dein Exfreund.« Und nach einer Kunstpause schiebt sie noch ein triumphierendes »Ha!« hinterher, bevor sie sich auf dem Absatz umdreht und verschwindet.
     
    Wie ein hypnotisiertes Kaninchen sitze ich auf meinem Hocker. Jetzt ist es raus. Jan ist schwul. Oh Gott, ich bin so unglücklich! Ich könnte jetzt wirklich gut eine Therapeutin brauchen. Ich schaue mich hoffnungsvoll um, ob Sophia nicht vielleicht zurückkommt, aber sie lässt sich nicht blicken. Stattdessen setzt sich ein dunkelhaariger breitschultriger Mann neben mich an den Tresen und begrüßt den Barkeeper:
    »Hi, Pete. Einen Martini, bitte.« Uh, ein James Bond. Gerührt, nicht geschüttelt, oder was? Mit einem schrägen Seitenblick auf den Typ kippe ich den sechsten Tequila mit Schwung hinunter und sage:
    »Hey, Pete. Noch mal dasselbe, ja?« Pete grinst und nickt. In diesem Moment beginnt Kate Winslet aus den Lautsprecherboxen zu trällern: »What if I had never let you go?« Oh mein Gott, unser Lied. Okay, eines unserer Lieder. Ist das ein Zeichen? Was wäre gewesen, wenn ich ihn wie diese Verrückte aus »Misery« ans Bett gekettet, ihm mit einem riesigen Hammer die Fußknöchel zerschmettert und ihm so die Möglichkeit genommen hätte, jemals wieder zu »gehen«? Wäre er dann vielleicht noch hetero? Mein Hetero? Tränen strömen unaufhaltsam meine Wangen herunter, ich bemerke, wie mich sowohl mein Nachbar mit
seinen schönen dunkelbraunen Augen als auch Barkeeper Pete ein wenig besorgt mustern. Ach, lasst mich doch alle in Ruhe. Ich lasse meinen Kopf auf meine Arme sinken und höre zu, was Kate mir zu sagen hat. Was wäre, wenn ich dich nicht hätte gehen lassen? Wärest du noch der Mann, den ich einmal kannte? Wenn ich geblieben wäre, wenn wir es versucht hätten, ach, wenn wir doch die Zeit zurückdrehen könnten. Jetzt werde ich es nie erfahren.
    Mit einem Ruck richte ich mich auf und verliere dabei beinahe das Gleichgewicht. Nein, so darf es nicht enden. Ich darf nicht aufgeben, er wird zurückkommen. Schließlich haben wir uns doch geliebt. Zweieinhalb Jahre lang hat er mit mir geschlafen und sich nie beschwert. Diese ganze Ich-bin-jetzt-schwul-Geschichte, das ist sicher nur eine Phase. Ja! Ich fühle mich plötzlich seltsam getröstet. Das ist nicht das Ende! Alles wird gut. Ich ignoriere die Tatsache, dass Jan ein erwachsener Mann von dreiunddreißig Jahren ist und kein pubertierendes Jüngelchen, das im Zeltlager mit den anderen Jungs um die Wette wichst. Er ist nicht schwul. Wie könnte er? Und vor allem, was würde das über mich als Frau sagen? Darüber will ich nicht nachdenken. Ich muss ihn anrufen. Also gehe ich auf Tauchstation, um in meiner Handtasche nach meinem Handy zu angeln. Ich krame erfolglos, verliere plötzlich den Halt und komme ins Rutschen. Mit einem Aufschrei kippe ich nach vorne, der Hocker unter meinem Hintern gleich mit und ich lande mit dem Gesicht geradewegs im Schritt meines Tresengefährten. Ein erschrockenes Zucken geht durch seinen Körper, dann hilft er mir dabei, mich wieder aufzurappeln. Mit knallrotem Kopf tauche ich leicht schwankend wieder auf und kralle meine Fingernägel in das dunkle Holz der Bar.
    »Tschuldigung«, nuschele ich, »ich wollte bloß mein Handy …«

    »Nichts passiert. Ich bin Michael«, sagt er und strahlt mich an. Na, war ja klar. Der denkt jetzt wohl, das war
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