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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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eine Vorschau auf heute Nacht, was? Fürsorglich hilft er mir auf den Barhocker zurück.
    »Ich heiße Helen«, sage ich kurz und beuge mich wieder zu meiner Tasche hinunter. Schließlich habe ich mein Handy immer noch nicht. Und ich muss Jan jetzt anrufen, unbedingt. Habe keine Lust, mich jetzt von irgendeinem Kerl anbaggern zu lassen. Michael hält mich an den Schultern fest und richtet mich wieder auf.
    »Sag mal, was hast du eigentlich vor? Willst du dich noch mal runterstürzen?«
    »Ich brauche mein Telefon«, sage ich unwirsch und so würdevoll, wie nur möglich. Das ist gar nicht so einfach. Ich bin nämlich wirklich schon ziemlich abgefüllt. Wenn mein Gegenüber das mitkriegt, werde ich ihn gar nicht mehr los. »Ich muss meinen Freund anrufen«, füge ich deshalb noch hinzu und beuge mich erneut nach vorne. In diesem Moment wird mir plötzlich sehr schwindelig und sehr schlecht, und ehe Michael etwas unternehmen kann, plumpse ich erneut wie ein nasser Sack vom Stuhl. Jammernd liege ich auf dem Boden, über mir das besorgte Gesicht von Michael und das feixende Gesicht von Pete, der sich weit über den Tresen beugt und meinen Anblick unheimlich komisch zu finden scheint. Ein zweites Mal hilft Michael mir hoch, während Pete den Tequila hochhält und fragt:
    »Bist du sicher, dass du den noch willst?« Klar! Her damit!
    »Ich glaube, sie hat genug«, antwortet Michael an meiner statt. Na, da hört sich doch alles auf. Ist Sophia jetzt inkognito hier oder was ist los?
    »Einen Doppelten«, krakeele ich und klammere mich an
Michael fest. Der hat mir gar nichts zu sagen. Herausfordernd gucke ich ihn an. Was gar nicht so einfach ist, bei so viel Alkohol im Blut verliere ich leicht die Kontrolle über meine Augen und fange an zu schielen. Mit aller Konzentration fixiere ich den Kerl, der da glaubt, mich bevormunden zu können. Er hat kurz geschnittenes, lockiges Haar, sanfte braune Augen, eine schmale gerade Nase und verführerisch geschwungene Lippen. Hmmmm! Trotzdem darf er mir nicht so kommen. »Was dagegen?«, herrsche ich ihn an. Er guckt ganz ruhig zurück, nimmt meine Hand und sagt:
    »Was ist denn mit dir los, Helen?« Augenblicklich fängt meine Unterlippe an zu zittern. Verdammt! Ich bemühe mich, meine Gefühle und Unterlippe wieder unter Kontrolle zu bekommen – mit leidlichem Erfolg. Der schließlich völlig zunichte gemacht wird, als Michael mir leicht seine Hände auf die Schultern legt und sanft sagt:
    »Ist schon okay. Du kannst ruhig weinen.« Meiner Kehle entfährt ein Schluchzer, ich breche hier und jetzt in den Armen eines wildfremden Mannes zusammen und heule wie ein kleines Kind, den Kopf an seine breite Brust gelehnt. Mann, tut das gut. Der Zyniker in mir erklärt mir natürlich, dass ich jetzt nicht umhinkommen werde, mit Michael ins Bett zu gehen, aber das ist mir total egal. Von mir aus. Es tut so gut, von ihm im Arm gehalten zu werden, außerdem sieht er ziemlich klasse aus und Jan könnte ich noch richtig eins reinwürgen damit, dass ich mit einem anderen geschlafen habe. Das hat er ja schließlich auch getan. Genau das!
    Nachdem ich schätzungsweise einen Liter Flüssigkeit verloren habe, löse ich mich langsam wieder von Michael. Verlegen starre ich auf sein ehemals hellblaues Oberhemd, das jetzt einen feuchten grauen Wimperntuschen-Tränen-Fleck aufweist.

    »Macht nichts«, sagt er wegwerfend. Ich krabbele wieder auf meinen Hocker, und im gleichen Moment knallt Pete mir den doppelten Tequila vor die Nase. »Möchtest du drüber reden«, fragt Michael mich sanft. Ich zögere kurz und entscheide mich dann dagegen. Ich kann doch diesem Mann nicht erzählen, dass ich eine Frau bin, nach der Männer schwul werden. Und außerdem, daran halte ich fest, ist da noch nicht das letzte Wort gesprochen. Wie gesagt, ist doch nur eine Phase. Und wenn Jan wieder zur Vernunft gekommen ist, würde er es bestimmt nicht schätzen, wenn ich in der Welt rumposaunt hätte, dass er ne Schwuchtel ist. Verzeihung, war nicht abwertend gemeint.
    »Danke, es geht schon«, schniefe ich und versuche ein leichtes Lächeln. Dann greife ich nach dem Schnapsglas vor mir. Bei dem bereits erreichten Pegel verzichte ich auf Orange und Zimt und stürze das Zeug einfach pur herunter. Michael schüttelt es sichtlich bei diesem Anblick.
    »Ist ja nicht zu fassen, was in so eine kleine Person alles reingeht«, sagt er ehrlich erstaunt, »mich wundert, dass du überhaupt noch einen vernünftigen Satz rausbekommst.« In
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