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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser
Autoren: Jilliane Hoffman
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bürokratische Lappalien auf Bundesebene. Doch es war nicht nur sein Geschick vor Gericht, weswegen ihn die Generalstaatsanwälte immer noch zum Essen einluden und der Gouverneur seinen Namen auf den richterlichen Ernennungslisten suchte. Groß, dunkelhaarig und attraktiv, mit einem sinnlichen kubanischen Einschlag, war er mit seiner Erfahrung und seinem spanischen Nachnamen für jeden Wahlkreis in Südflorida ein Gewinn. Julia war sich nicht sicher, ob es sein Ruf oder sein selbstsicheres Auftreten waren, das ihm Respekt verschaffte, wenn er einen Gerichtssaal betrat, jedenfalls hatte sie das Phänomen oft genug selbst beobachtet. Und sie spürte diese Wirkung auch bei sich selbst. Normalerweise ließ sie sich nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken, doch Rick Bellido besaß eine hypnotische Ausstrahlung. Sein Wort hatte vor Gericht Geltung; die Geschworenen hörten für gewöhnlich auf ihn. Doch inzwischen waren die Tage, da er sich auf dem Parkett vor der Richterbank die Ledersohlen schmutzig machte, längst vorüber, und er hatte nur noch mit Kollegen aus den Chefetagen, Politikern, Polizeichefs und hochbezahlten, prominenten Verteidigern zu tun. Umso erstaunter war Julia gewesen, als er vor ein paar Wochen eine Unterhaltung mit ihr angefangen hatte, während er bei Gericht auf seinen Angeklagten wartete. Erstaunt und geschmeichelt. Und auch, wenn er siebzehn Jahre älter war – oder vielleicht deswegen –, fühlte sie sich eindeutig zu ihm hingezogen. Aus dem gelegentlichen gemeinsamen Kaffee war hier und da ein Mittagessen geworden und schließlich, unerwartet, Freitagnacht. Dass sie seitdem nichts von ihm gehört hatte, machte diesen ersten Moment unter vier Augen allerdings ziemlich unbehaglich. Obwohl es so viel gab, über das sie reden mussten, wusste Julia nicht, was sie sagen sollte, und so blickte sie schweigend aus dem Fenster.
« Lass dir von Charley nicht zusetzen», sagte Rick, als er vom Parkplatz auf die 14th Street fuhr.
« Er will nur, dass du weißt, wer das Sagen hat. Das macht er bei jedem.» Irgendwie bezweifelte sie das, doch es tat gut, es zu hören.
« Ich werde es mir merken», sagte sie leise. Wieder herrschte peinliches Schweigen.
« Übrigens bin ich nicht wegen dem, was zwischen uns läuft, auf dich gekommen», sagte er dann, als er an einer roten Ampel bremste.
« Das wollte ich klarstellen.» Er drehte sich zu ihr, stützte den Ellbogen auf die Konsole und nahm die Sonnenbrille ab.
« Was ich in Rifkins Büro gesagt habe, meine ich ernst. Mir gefällt, was ich vor Gericht sehe, Julia. Mich fasziniert dein Talent. Du hast diese wilde Entschlossenheit, diesen rebellischen Dickkopf. Ein bisschen erinnerst du mich an C. J. Townsend, eine Staatsanwältin, die früher bei Major Crimes war. Als dieser Fall auf meinem Tisch gelandet ist, habe ich sofort an dich gedacht. Ich glaube», er hielt einen kurzen Moment inne, « ich glaube, mit dir könnte diese Geschichte interessant werden.» Er lächelte. Krähenfüße kräuselten sich um seine braunen Augen und milderten seinen intensiven Blick.
« Und ich habe ein Faible für interessante Geschichten.»
« Danke.» Mehr brachte sie nicht heraus, doch sie lächelte zurück.
« Der Abend neulich hat mir natürlich auch gefallen. Und ich finde eindeutig, dass wir das wiederholen sollten.» Die letzten Worte hatte er geflüstert, und dann lehnte er sich zu ihr herüber und küsste sie ohne Vorwarnung auf den Mund. Er legte ihr die Hand in den Nacken, griff in ihre langen, dunklen Locken und zog sie fester an sich. Sie dachte an Freitagnacht, daran, wie sich sein nasser Körper unter der Dusche an sie geschmiegt hatte, an seine erfahrenen Hände, die sie zärtlich einseiften. Der Augenblick fühlte sich verboten an und machte sie verlegen, doch es war genauso aufregend wie zuvor, und so erwiderte sie seinen Kuss, schob die Hand unter sein Jackett und ließ die Fingerspitzen über sein gestärktes Hemd gleiten. Erst das Hupen hinter ihnen brachte sie in die Gegenwart zurück.
« Ich werde mein Bestes geben», flüsterte sie und legte den Finger an die Lippen.
« Das verspreche ich dir.» Er setzte die Sonnenbrille wieder auf.
« Gut», sagte er lächelnd, und dann fuhr er los. Und das war alles, was sie hören wollte.
KAPITEL 8
    D AS HAUS ist bereits auf Video aufgezeichnet worden», sagte Rick, als er den BMW vor einer hübschen hellgrünen Villa mit einer vornehmen geschnitzten Eichentür parkte. An einem Flügel der Tür flatterte Polizeiband.
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