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Vater Mond und seine Kinder (German Edition)

Vater Mond und seine Kinder (German Edition)

Titel: Vater Mond und seine Kinder (German Edition)
Autoren: Franziska von Sassen
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Schnee ab und kämpfte sich weiter durch den Schneesturm. Er war müde und seine Kräfte begannen allmählich nachzulassen.
    Es war bereits Mitternacht. Geisterstunde. Das Schneetreiben wurde immer heftiger. Der Sturm heulte und brauste durch die uralten Bäume. Sie knarrten und ächzten. Plötzlich durchdrang von fernher das schaurige Geheul der Wölfe den Wald. Brutus war unterwegs. Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Brutus gehörte nicht zu seinen besten Freunden. Ein erneutes Geheul durchbrach die Nacht, das aber eher wie ein Gejammer klang. Sein Fuß stockte. Abrupt blieb er stehen. Sein Herz raste. Ein erneutes schmerzvolles, klagendes Jaulen ließen ihn in dieser unheimlichen, fast beängstigenden Umgebung innehalten. Dann besann er sich. Um sicher vor unliebsamen Überraschungen zu sein, kauerte er sich hinter eine schützende Schneeverwehung, legte seine Hand hinters Ohr und lauschte angestrengt in jede Richtung, um festzustellen, woher das Jaulen und Klagen kam. Erneut war ein herzergreifendes Stöhnen zu hören, dem ein weiterer Schmerzenslaut folgte. Er schauderte. „Ob das wirklich Brutus ist?“ Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Ob es nicht klüger ist, meine Heimreise fortzusetzen? Einerlei ob Feind oder Freund, wer in Not geriet, dem muss geholfen werden. „Brutus, Brutus“ rief er, erhielt jedoch keine Antwort. Er nahm all seinen Mut zusammen und setzte sich langsam in Bewegung. Forschend stapfte er kreuz und quer durch den Wald, bis er unversehens vor der Unglücksstelle stand. Er machte sich auf das Schlimmste gefasst. Leise näherte er sich der Grube. Ein tiefes Knurren und bösartiges Grollen schlugen ihm entgegen. Vorsichtig kniete er sich hin und schaute ungläubig hinab in die Grube, in die der Wolf gefallen war. Die Dunkelheit war jedoch so undurchdringlich, dass er kaum noch etwas erkennen konnte. Zu allem Übel war seine Laterne schon vor einiger Zeit erloschen. Es war tatsächlich Brutus. Seine düstere Vorahnung hatte ihn nicht getrogen. Vermutlich waren Brutus und seine Sippe flüchtendem Wild nachgejagt. In seinem Jagdeifer hatte Brutus die Gefahr nicht erkannt und war in eine getarnte Grube mit einem Fangeisen gefallen. Die Kralle klemmte seinen Vorderlauf ein. So wie er das sah, konnte Brutus sich nicht allein befreien. Als der Wolf ihn bemerkte, hob er mit einem Ruck den Kopf. Ein bösartiges Feuer glomm in seinen Augen. Heimtückisch beobachtete er den Zwerg. Goldor sprach beruhigend auf ihn ein. Brutus hörte jedoch nicht auf, sich weiterhin blindwütig zu gebärden. Er wehrte sich mit all seinen Kräften, vermochte aber nichts auszurichten. Die Eisenkralle drang nur immer tiefer in seine Pfote ein.
    Er wusste nicht, wie er Brutus befreien konnte. Zögernd streckte er die Hand aus, um ihn zu streicheln und zu beruhigen. Erschrocken fuhr er zurück. Brutus hatte ihn fast an der Hand erwischt. Immer wieder blickte er sich argwöhnisch um, ob nicht plötzlich hinter ihm das ganze Wolfsrudel auftauchte. Angespannt horchte er auf jedes Geräusch. Plötzlich kreischte hoch über ihm ein Vogel auf. Von Panik erfasst sprang Goldor hoch und duckte sich unter die niedrigen Zweige eines Busches. Blinder Alarm. Der vereinzelte Ruf eines Käuzchens. Außer dem Wind, der dicke, schwere Schneewolken über den Himmel jagte, war nichts zu hören.
    Mit einem mulmigen Gefühl näherte sich Goldor von neuem der Grube. Vorsichtig schob er sich Zentimeter um Zentimeter näher an den Grubenrand heran. Ganz geheuer war ihm dabei nicht. Er reckte den Hals vor. „Hallo, Brutus, hallo!“ Keine Antwort. „Ich will dir doch nur helfen, also sei friedlich!“ Der ließ jedoch ein tiefes, schreckliches Grollen hören. Mit gefletschten Zähnen hockte er sprungbereit in der Grube. Goldor wich zurück. „Willst du denn nicht, dass ich dir helfe?“
    Im fahlen Mondlicht erkannte Goldor kaum noch die Umrisse von Brutus. Er musste hinab ins Loch. Von oben war keine Hilfe möglich. Außerdem drängte die Zeit. Jeden Moment konnte sein Rudel zurückkehren. Und dann wäre es um ihn geschehen. Er fasste sich ein Herz. Schwitzend vor Angst setzte er sich in Bewegung. Auf seinem Hosenboden rutschte er hinunter und hockte sich auf den matschigen Boden. Tastend und immer wieder lauschend drückte er sich in die äußerste Ecke, wo ihn Brutus mit seinen scharfen Reißzähnen nicht erreichen konnte. In seinem blinden Zorn und seiner Hilflosigkeit erkannte Brutus ihn immer noch nicht und tobte weiter, wobei
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