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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
Autoren: Giampaolo Simi
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Der große Edo Magnani ist dein Kollege, und Kollegen sind nach außen Verbündete, aber im Inneren potenzielle Gegner. So ist das halt. Man kann nie wissen.
    Das hat dir im Übrigen nicht Magnani beigebracht, Furio. Das war dir schon immer klar.
    Potenzielle Gegner. Das war dir schon immer klar, und das vergisst du auch nicht.
    Vor allem heute Abend nicht. Als du mit Elisa in den Spider steigst, ist es schon nach neun. Sie konnte sich einfach nicht entscheiden, ob sie zu dem ausgestellten Rock das Schultertuch umlegen sollte, und Caterina hat all ihre Kleidchen aus der Schublade gezerrt und sich ebenfalls zum Ausgehen zurechtgemacht. Zu guter Letzt bekam sie einen hysterischen Anfall und riss in ihrer Wut den Wohnzimmervorhang herunter.
    »Das hat gerade noch gefehlt, dass sie heute Abend so ein Theater macht«, moserst du.
    »Du musstest ihr ja unbedingt auf die Nase binden, dass wir auf ein Fest gehen!« Elisas Ton ist schneidend wie der Windzug, der zwischen Autodach und Fenstern hindurchpfeift.
    »Sie ist schließlich kein Baby mehr.«
    »Wenn du ihr andauernd sagst, wie groß sie schon ist, brauchst du dich auch nicht wundern, wenn sie mit uns Großen auf die Party gehen will!«
    »Jetzt ist es also wieder meine Schuld?«
    »Nein, aber du musst dich einfach mal in die Denkweise einer Sechsjährigen hineinversetzen.«
    »Du meinst also, ich kann mich nicht in meine Tochter hineinversetzen?«
    »Ah, was für eine sinnlose Diskussion.«
    Elisa haucht sich in die Hände.
    »Die Heizung wird gleich warm«, beruhigst du sie.
    »Und wenn es dann endlich so weit ist, stinkt es nach verbranntem Öl.«
    »Zieh bitte nicht so ein Gesicht. Heute Abend ist die ganze Firma da.«
    Diese Party ist wichtig. Auf einem Betriebsfest kommt so manches zum Vorschein, wie beim Modell einer Schlacht.
    Die Villa Mansi liegt zurückgezogen in den stillen Hügeln, die die Ebene von Lucca säumen. Als ihr ankommt, sind die guten Parkplätze längst besetzt. Elisa müsste auf ihren Zwölfzentimeter-Absätzen ein ganzes Stück durch den Kies laufen. Die Schuhe hat sie extra für den Anlass gekauft. Für deinen Geschmack sind sie vorne zu spitz, aber das trägt man jetzt halt so. Schon wieder ein neues Paar. Zusammen bringt ihr es mittlerweile auf drei Schuhschränke. Dabei wollte Elisa nicht einmal einsehen, warum ihr ein Haus mit Keller braucht.
    Deine Frau könnte sich wehtun, mit ihren kristallzarten Knöcheln. Du reichst ihr den Schlüssel des Spiders und hebst sie ohne Vorwarnung hoch. Sie kichert verblüfft, dann küsst sie dich sanft, um dich nicht mit Lippenstift vollzuschmieren.
    »Du siehst umwerfend aus«, flüsterst du ihr zu.
    Während du dieses vollkommene Wesen zur Villa trägst, bist du innerlich schon in dem von funkelnden Kronleuchtern erleuchteten Festsaal mit Jagdszenen an den Wänden, Nymphen an der Decke und Putten in den Ecken. Dir graut bei dem Gedanken, dass alle anderen Gäste bereits Platz genommen haben dürften. Da musst du nun mit deiner Frau durch, unter den Blicken der gesamten Belegschaft, all deiner Kollegen, die längst vor ihrem Teller sitzen und über eure dreiste Verspätung tuscheln.
    Aber zu spät zum Betriebsfest erscheinen und dann noch mit schmutzigen Schuhen, nein, das wäre das Ende von allem.
    Es könnte allerdings noch schlimmer kommen: Vielleicht denken die Kollegen, du erscheinst absichtlich zu spät, um allen die schönste Ehefrau der Firma zu präsentieren. Das wäre ziemlich kontraproduktiv. Die Neider warten doch nur auf eine Provokation, die ihre Verachtung rechtfertigt.
    Wie dem auch sei, als ihr hereinkommt, schauen alle von ihrem Teller auf. Zu schön, zu elegant und vor allem zu spät. Das Stimmengewirr bricht ab, Elisas Absätze skandieren den Takt. Mit einem fast übernatürlichen Lächeln schreitet sie durch die Menge, wie eine heidnische Göttin, die an Sterblichen vorübergeht.
    Susy, die Neue, die für ihr Pferdegebiss einen viel zu knalligen kirschroten Lippenstift aufgelegt hat, schaut auf. Vittorio, der frühere Buchhalter, der dann Zeuge Jehovas wurde, schaut auf. Mimmo, der Teamchef an der neuen Sechsfarbdruckmaschine und Kapitän der unternehmenseigenen Hallenfußballmannschaft, schaut auf. Donato, der junge Grafiker und Manga-Fan, der lieber jeden Tag mit dem Zug kommt, als den Führerschein zu machen, schaut auf. Donna Jole, die überzeugte Mussolini-Anhängerin, die dem Patriarchen Aggradi mit ihren Klauen voller Altersflecken immer noch auf die Finger haut, schaut
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