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Variationen zu Emily

Variationen zu Emily

Titel: Variationen zu Emily
Autoren: Jürgen Saarmann
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Arnold Schwarzenegger oder wenigstens Robert De Niro in Cape Fear ins Bett und an ihre Seite wünschte.
    Und dennoch war er alles in allem durchaus nicht erfolglos. Er war zwar in seiner Jugend mal ganz ansehnlich gewesen, aber als muskulös oder richtig schlank hatte man ihn nie bezeichnen können. Er war damals recht sportlich, besonders im Schwimmen: Wale hatten ja schließlich auch eine Menge Fett. Aber mit schnellem Schwimmen beschützte man keine Prinzessin vor dem geifertriefenden Rachen eines Außerirdischen, sondern bewerkstelligte allenfalls die eigene unauffällige Flucht. Und trotzdem. Wenn er sich mal traute, lachte die junge Dame ihn erst aus, tuschelte mit ihren Gespielinnen und gab sich ihm dann während der nächsten mondbeschienen Nacht hin – auf einem Schulausflug, drei Kilometer Luftlinie von zu Hause entfernt, Zelte voller Pubertierender beiderlei Geschlechts im Blickfeld, einen wichtigtuerischen Pfadfinderführer am Lagerfeuer auf Wache. Das funktionierte heute manchmal immer noch, und er verließ sich darauf. Aber was es war, was da wirkte: Er hatte nicht die Spur einer Ahnung.
    Er begann zögernd, sich für seinen beruflichen Auftritt auszustaffieren. Dunkelgrauer Anzug mit ersten Ermüdungserscheinungen an Ellenbogen und Gesäß, weißes Hemd mit silbernen Manschettenknöpfen, in die täuschend echt nachgemachte, schon ein wenig kränklich wirkende Rubine eingelassen waren. Die Krawatte mit den kleinen grünen Fröschen auf gelbem Grund, glänzende schwarze Schuhe mit einem geschmackvollen Besatz aus kaninchenfarbenem Wildleder. Den Trenchcoat wegen der kühlen Abende über dem Arm und die verspiegelte Sonnenbrille von Ganani, gut gegen Falten um die Augen herum.
    Er hatte noch einen echten Borsalino im Schrank, den er mal aus einer Laune heraus – na gut, aus Angeberei einer Freundin gegenüber – in einem der selten gewordenen Hutgeschäfte erworben hatte. Aber das wäre doch des Guten zu viel. Diese Art Herr, äußerst munter und rüstige fünfundsiebzig Jahre alt, immer mit einem lustigen Augenzwinkern, einem lüsternen Klaps auf den Po des Dienstmädchens, den Rittmeister der Monar chie im steifen Rücken und den pour le merité in Knopfloch, war er mit seinen knapp vierzig Jahren doch noch nicht: wenn es auch nicht die schlechteste Vision für das Alter war. Aber leider gab es das nur noch in Wien, bei Ernst Jünger und in Historienschinken aus Hollywood.
    Heute konnte man sich mit so einem Outfit, wie das jetzt hieß, allenfalls lächerlich machen, vor allem, da die passenden drallen Dienstmädchen auch weitgehend ausgestorben zu sein schienen. Die Wohnungstür fie l krachend hinter ihm ins Schloss. Als er sich umdrehte, um abzuschließen, stellte er fest, dass der Schlüssel mal wieder drinnen geblieben war. Na, schadete nichts. Seine Freunde von oben, Jack und Henry, hatten nicht nur Anteil an seinen Liebschaften und musikalischen Vorlieben, sondern auch einen Ersatzschlüssel.
     
     

2. UNTERWEGS
     
     
    Verdammte Saubande, das ... und dieser arrogante Oberarsch mit seinen Gesundheitssandalen zum grauen Anzug ... was glauben die denn, was herauskommt ... wenn sie mich in so einen Scheißindustriebetrieb schicken ... soll ich einen Roman über sich verneigende, verrenkende Roboter schreiben ... die vierundzwanzig Stunden am Tag irgendwelche nutzlosen Geräte zusammenschrauben ... für eine bewusstlose Kaufbevölkerung ... und schweißen und nieten ... und stinken und eine höllische Hitze ausstrahlen ... was soll daran interessant sein ... pass auf, du Arsch: Mist ... konnte dieses dämliche Kleinfahrzeug nicht eine andere als diese dämliche Pfütze erwischen ... nun muss ich dieses schlabbrige, kalte Hosenbein mit in die Kneipe nehmen ... na, immer noch besser so als ... der flache Überrest einer Kröte, der vorhin auf der Straße lag ... platt, als wäre sie nur mit Luft gefüllt gewesen ... wie gekreuzigt lag sie da ... kleines, unschuldiges Tierchen gegen modernes Fortbewegungsmittel ... Industrialisierung, ja ... Automatisierung, Globalisierung ... und nicht zuletzt Infantilisierung ... da steht ein hochspezialisierter Typ an einem Terminal ... gibt die Anweisungen für die Maschinen ein ... alles drin in den Programmen ... einschließlich Logistik, Lager-, Bestell- und Rechnungswesen ... und die anderen Kumpels stehen neben den Bändern ... schauen den Robotern zu, ob sie was falsch machen ... damit sie mit dem gestreckten Finger darauf weisen können ... der ihnen
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