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Van Helsing

Van Helsing

Titel: Van Helsing
Autoren: Kevin Ryan
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seine Bilanz vorzulegen.
    Die Kreatur zuckte, griff aber nicht an. Sie starrte den Geistlichen aus ihren roten Augen an, zuerst mit unglaublicher Wut, dann — ganz langsam – mit so etwas wie Wiedererkennen. Schließlich drehte sich der Werwolf ein Stück zur Seite, und Carl sah die leere Spritze in seiner Brust. Als der Wolf ihn losließ, wich er stolpernd zurück.
    Die Bestie griff sich an die Brust, riss die Spritze heraus und warf sie fort. Dann sah sie Anna an. Carl tat das Gleiche. Anna lag reglos da, mit weit geöffneten Augen. Die Angst des Ordensbruders wich tiefer Trauer. Im Gesicht des Werwolfs spiegelte sich blankes Entsetzen.
    »Sie ist tot«, sagte Carl, konnte es aber selbst kaum glauben. Anna hatte ihr Leben lang gegen die Mächte der Finsternis angekämpft. Darin war sie Van Helsing ebenbürtig. Als er den Werwolf ansah, wurde Carl klar, dass sie für ihn viel mehr gewesen war als eine bloße Kampfgefährtin.
    Der Werwolf beugte sich über Anna, die auch im Tod noch wunderschön war. In dem Bogenfenster hinter ihm zeigte sich der Vollmond in seiner ganzen Pracht. Der Werwolf legte den Kopf in den Nacken und heulte den Mond klagend an.
    Zunächst schien es, als wollte das Gebrüll kein Ende nehmen. Dann trat eine Veränderung ein: Die Kreatur begann zu schrumpfen, und wenige Augenblicke später war Van Helsing wieder er selbst. Schluchzend ließ er seinem höchst menschlichen Schmerz freien Lauf.

Epilog
     
    Spät am nächsten Abend erreichten sie das Schwarze Meer. Carl hatte auf der gesamten Reise die Pferde gelenkt und es Van Helsing so ermöglicht, bei Anna in der Kutsche zu bleiben. Er konnte sie nicht allein lassen. Schon bald würde er es müssen, aber die wenigen Stunden der Fahrt blieb er bei ihr und schloss nicht einmal die Augen, um sich auszuruhen. Dazu würde er später noch genug Zeit haben.
    Körperlich ging es ihm gut; das Werwolfgift hatte alle Wunden geheilt – für seine Seele hingegen konnte es nichts tun.
    Anna hatte so lange und tapfer gekämpft, dass Van Helsing sie schon für unverwundbar gehalten hatte. Sie war Werwölfen und Vampiren entgegengetreten und hatte sie alle überlebt. Bis auf mich, dachte er bitter.
    Er roch das Meer, noch bevor er es im Mondlicht schimmern sah. Sie waren fast da, aber er hatte keine Eile, seinen Auftrag zu Ende zu führen. Carl lenkte das Gespann über den Gebirgspass, und als Van Helsing die Stelle entdeckte, nach der er suchte, ließ er den Geistlichen anhalten.
    Carl bot ihm seine Hilfe an, aber Van Helsing bestand darauf, den Scheiterhaufen selbst aufzuschichten. Es war das Mindeste, was er für Anna tun konnte. Nachdem ich sie getötet habe, dachte er vorwurfsvoll. Sicher, er hatte sich nicht kontrollieren können. In dieser Situation wäre das niemandem gelungen.
    Das wusste Van Helsing, aber es half ihm nicht. Er hätte eben einen Weg finden müssen! Es war seine Aufgabe gewesen, sie zu beschützen. Der Kardinal hatte von ihm verlangt, sie zu beschützen, bis Dracula vernichtet war, und das hatte Van Helsing auch getan. Aber er hatte ihr mehr als nur vorübergehenden Schutz gewähren wollen. Er hatte ihr ein Leben fernab des Kampfes, den ihre Familie geführt hatte, schenken wollen.
    Ein Leben mit mir, dachte er. Ja, es stimmte, und Van Helsing leugnete es nicht. Er war wütend auf sie, auf sich selbst und auf die eine Macht, die es hätte verhindern können und es doch nicht getan hatte. Die Macht, die den Valerious' so viele Opfer abverlangt hatte – ihnen und einer schönen, starken jungen Frau, deren einziger Traum es gewesen war, einmal das Meer zu sehen.
    Van Helsing wollte ihr diesen Traum erfüllen.
    Als er das Holz aufgeschichtet hatte, ging bereits die Sonne auf, und das erste Licht des Tages streifte über das Schwarze Meer. Der Anblick war wunderschön, und Van Helsing wusste, dass Anna ihre Freude daran gehabt hätte. Man muss auch dem Tod etwas Positives abgewinnen, hatte sie einmal zu ihm gesagt. Das war ihre Art gewesen – die transsilvanische Art.
    Aber nicht seine.
    Für ihn gab es nur Schmerz und Verlust... und Opfer.
    Carl zelebrierte das Bestattungsritual und las aus der Bibel vor. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er war ein guter Mann und hatte auf seine Weise hart gekämpft. Er hatte großen Anteil an dem Sieg über Dracula, aber wie Van Helsing sah, bezahlte auch Carl seinen Preis dafür.
    Daran war Van Helsing schuld. Er hatte darauf bestanden, dass der Ordensbruder den sicheren Vatikan verließ und ihn
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