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Van Helsing

Van Helsing

Titel: Van Helsing
Autoren: Kevin Ryan
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auf dieser Mission begleitete. Er hatte angenommen, Carl würde im Außeneinsatz etwas über das Leben lernen. Nun wünschte er, er könnte seinem Freund das schreckliche Wissen ersparen, das diese Lektion ihm gebracht hatte.
    Es war eine weitere Bürde, die Van Helsing zu tragen hatte. Er fragte sich, ob auch der Kardinal, der ihn schon so oft los geschickt hatte, das Gewicht dieser Verantwortung spürte. Welchen Preis bezahlte er für Van Helsings Siege? Welche Bürde hatte Jinette zu tragen?
    Carl beendete die Totenmesse und klappte langsam die Bibel zu, als sträube er sich dagegen, die Sache zu Ende zu führen und Anna endgültig dem Jenseits zu überantworten. Wie für Van Helsing die Fahrt ans Meer war für Carl das Bestattungsritual das Letzte, was er für Anna tun konnte. Nun war alles getan.
    Nein, eine Aufgabe galt es noch zu erledigen, und sie fiel allein Van Helsing zu. Er trat vor und hielt die Fackel an den Scheiterhaufen. Dieser fing schnell Feuer, und schon bald wärmten die Flammen Van Helsings Gesicht.
    Frankenstein sah den brennenden Scheiterhaufen von seinem Floß aus, mit dem er aufs Meer hinausfuhr. Respektvoll nahm er den Hut vom Kopf. Van Helsing hatte die ganze Fahrt über geschwiegen und Anna angestarrt. Sie zu verlieren war ein harter Schlag für ihn gewesen, das hatte Frankenstein deutlich gespürt.
    Auch er hatte in seinem kurzen Leben schon einen großen Verlust hinnehmen müssen. Seine Zeit mit Vater war viel zu knapp bemessen gewesen; am Ende war Vater im Kampf gegen dieselbe Dunkelheit gestorben, von der nun auch Anna verschlungen worden war. Doch auch wenn die Prinzessin gestorben war: Sie hatte Van Helsing das Leben geschenkt. Und das gleiche Geschenk hatte Vater ihm gemacht.
    Frankenstein schwor sich, Vaters Geschenk nicht zu vergeuden.
    Van Helsing beschlich das seltsame Gefühl, beobachtet zu werden. Er sah sich um, aber da waren nur Carl und – weit draußen auf dem Meer – Frankenstein. Niemand sonst war zu sehen. Annas Körper würde zwar noch ein paar Minuten bei ihnen bleiben, aber sie selbst war nicht mehr da.
    Er sah den Scheiterhaufen brennen, beobachtete den Rauch. Einige Rauchschwaden schwebten auf ihn zu wie lange, dünne Finger und hoben sein Kinn mit einer Kraft, gegen die er nichts ausrichten konnte, obwohl sie unsichtbar war. Die Berührung kam ihm bekannt vor.
    Anna war noch nicht gegangen – noch nicht. Er sah ihr Gesicht im Rauch. Van Helsing war vollkommen davon überzeugt, dass sie bei ihm war. Das Gesicht lächelte und stieg mit dem Rauch in den blassroten Morgenhimmel.
    Fassungslos machte er einen Schritt vorwärts, um ihr zu folgen. Dann sah er etwas, das ihn innehalten ließ. Rings um Annas Gesicht waren noch andere. Van Helsing erkannte Velkan und Annas Vater, eine Frau, die wohl ihre Mutter war ... und viele andere. Die gesamte Familie Valerious. Anna wurde von ihrem Vater umarmt, die Mutter kämmte ihr das Haar, und Velkan strahlte vor Stolz und Liebe.
    Annas Vergangenheit und Zukunft wurden eins, und Van Helsing sah, dass sie glücklich war, ja er spürte, dass sie glücklich war. Und dann wurde ihm bewusst, was sie ihm zum Abschied schenkte: Eine große innere Ruhe überkam ihn. Frieden und Hoffnung – für ihn selbst, für den Hünen auf seinem kleinen Floß in dem großen Meer, für alle.
    Van Helsing spürte eine Hand auf seiner Schulter. Er drehte sich um und stellte fest, dass auch Carl die Vision miterlebte. Anna sah ihn ein letztes Mal an, und ihre Augen leuchteten vor Glück und Hoffnung. Dann flog sie mit ihrer Familie davon in die Morgenröte.
    Ihr Kampf war vorbei, Sie war auf der anderen Seite angekommen – auf der besseren Seite.
    Als der Scheiterhaufen niedergebrannt war, sattelten Van Helsing und Carl zwei der Pferde, die vor die Kutsche gespannt gewesen waren. Van Helsing saß auf und streichelte den Hals seines kräftigen schwarzen Hengstes. Ein starkes Tier, das spürte er. Transsilvanische Rösser, dachte er. Nichts ist so schnell wie transsilvanische Rösser...
    Dann ritt Van Helsing mit Carl an seiner Seite durch ein endloses goldenes Weizenfeld, auf das die Strahlen der aufgehenden Sonne einen roten Schimmer zauberten.
     
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