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Vampirsohn

Titel: Vampirsohn
Autoren: J.R. Ward
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abstauben würde. Oder lesen.
    Einige Meter weiter gelangte sie zu einer Tür. Sie hielt die Kerze zuerst ganz nach oben und dann wieder nach unten und suchte nach einem Knauf oder Griff, aber sie konnte auf dem alten Holz nichts entdecken außer schwarzen Eisenscharnieren. Am Boden rechts neben der Tür befand sich etwas, das die Größe eines Brotkastens hatte, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was es sein mochte.
    Sie richtete sich auf und hämmerte gegen die Tür.
    »Ms Leeds! Fletcher!« Sie wiederholte ihre Rufe und schrie so lange und so laut sie konnte, in der Hoffnung, jemanden herbeizurufen. Aber niemand kam.
    Aus Angst wurde Ärger, und sie begrüßte den Zorn.
    Immer noch verängstigt, aber nun auch wütend, tastete sie sich weiter voran. Bücher. Da waren nur Bücher. Vom Boden bis hoch zur Decke. Bücher, Bücher und noch mehr Bücher.
    Claire stoppte und war plötzlich erleichtert. »Das ist ein Traum. All dies ist nur ein Traum.«
    Sie holte tief Luft …
    »In gewisser Hinsicht, ja.« Die tiefe, klangvolle Männerstimme ließ sie sich erschrocken umdrehen, so dass sie mit dem Rücken gegen die Bücherstapel stieß.

    Bloß keine Angst zeigen, dachte sie sich. Wenn du deinem Feind gegenüberstehst, darfst du keine Angst zeigen.
    »Lassen Sie mich aus diesem verdammten Zimmer. Und zwar sofort.«
    »In drei Tagen.«
    »Wie bitte?«
    »Sie werden drei Tage lang bei mir bleiben. Dann wird Mutter sie wieder freilassen.«
    »Mutter …?« Das war Ms Leeds’ Sohn ?
    Claire schüttelte den Kopf. Bruchstücke ihrer Unterhaltung mit der alten Dame fielen ihr wieder ein, ergaben jedoch keinen Sinn.
    »Das ist Freiheitsberaubung …«
    »Und nach drei Tagen werden Sie sich an nichts mehr erinnern. Weder, wo Sie waren, noch was hier geschehen ist. Auch nicht an mich. Sie werden keinerlei Erinnerungen zurückbehalten.«
    Oh Gott … seine Stimme war beinahe hypnotisch. Und so traurig. So sanft und leise …
    Das Geräusch von Ketten, die über den Boden geschleppt wurden, erklang, wurde lauter und rief ihr ins Gedächtnis, dass sie sich vor ihm fürchten sollte. »Kommen Sie nicht in meine Nähe.«
    »Es tut mir leid. Ich kann nicht warten.«
    Sie rannte zurück zur Tür und hämmerte gegen das Holz. Durch ihre ruckartigen, verzweifelten Bewegungen spritzte das Wachs der Kerze in alle Richtungen. Als die Flamme ausging, ließ sie den Kerzenständer los, und während dieser polternd zu Boden fiel, hämmerte sie mit beiden Fäusten gegen die massive Tür.
    Das Geräusch der Ketten kam näher, und dann
hörte sie es direkt hinter sich. Verrückt vor Angst scharrte Claire mit bloßen Händen an der Tür, so dass ihre Fingernägel lange Kratzspuren hinterließen.
    Zwei Hände bedeckten die ihren, hielten sie davon ab, weiterzumachen. Oh Gott, jetzt war er da. Genau hinter ihr.
    »Lassen Sie mich los!«, schrie sie.
    »Ich werde Ihnen nichts tun«, sagte er ruhig und mit dieser sanften Stimme. »Ich werde Ihnen nicht wehtun …« Immer weiter sprach er zu ihr, ein Wort nach dem anderen, bis sie in eine Art Trance fiel.
    Ihr Körper prickelte, als ihr sein Duft in die Nase stieg. Er war der Ursprung dieses dunklen, würzigen Geruchs, dieses herrlichen Dufts, der überaus männlich, kraftvoll und erregend wirkte. Ihr Innerstes reagierte darauf, ihre Weiblichkeit wurde schwer und feucht …
    Entsetzt über ihre eigene Reaktion versuchte sie, sich loszureißen. »Fassen Sie mich nicht an.«
    »Ruhig.« Seine Stimme war direkt an ihrem Ohr. »Ich werde das erste Mal nicht viel nehmen. Und keine Sorge: Sie werden Ihre Tugend hier nicht verlieren. Ich kann nicht mit Ihnen schlafen.«
    Sie sollte ihm nicht trauen. Sie sollte lieber große Angst haben. Stattdessen ließen seine sanften Hände, seine ruhige, tiefe Stimme und sein sinnlicher Geruch ihre Furcht schwinden. Das war es wahrscheinlich, was sie am meisten erschreckte.
    Er gab sie frei, und eine seiner Hände berührte ihre Haare. Er zog die Haarnadeln nacheinander aus ihrer Frisur, bis ihr die dunklen Wellen auf die Schultern fielen. »Wie hübsch«, flüsterte er. »Erlesen.«

    Sie wusste, sie sollte weglaufen. Aber genau genommen wollte sie gar nicht weg von ihm. »Es ist stockfinster. Woher wissen Sie, wie mein Haar aussieht …«
    »Ich kann Sie gut sehen.«
    »Ich sehe gar nichts.«
    »Das ist auch besser so.«
    War er hässlich? Missgestaltet? Oder etwa entstellt? Und wenn schon, würde es wirklich darauf ankommen? Ihr war klar, dass dem nicht so
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