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Vampirsohn

Titel: Vampirsohn
Autoren: J.R. Ward
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bionischer Butler war …
    »Ah … Dankeschön.«
    »Madame wird es in diesem Sessel bequem haben.«
    Ja, und vielleicht wird Madame damit nach Hause fahren, falls ihr Auto nicht anspringen will.
    Als Fletcher ging, ließ sich Claire auf dem vorbereiteten Thron nieder und blickte ihre Klientin an. Die alte Dame hielt ihre Augen immer noch geschlossen. »Ms Leeds … sind Sie sicher, dass ich das Testament nicht einfach hier bei Ihnen lassen soll? Dann können Sie es sich in Ruhe durchsehen, und ich komme ein anderes Mal wieder, um Ihre Unterschrift notariell zu beglaubigen.«
    Als längere Zeit keine Antwort kam, fragte sich Claire, ob ihre Klientin vielleicht eingeschlafen war. Oder, Gott behüte … »Ms Leeds?«
    Die blassen Lippen bewegten sich kaum. »Haben Sie inzwischen einen Kavalier?«
    »Was? … Äh, nein.«
    »Sie sind sehr attraktiv, wissen Sie.« Ms Leeds öffnete ihre feuchten Augen und drehte den Kopf auf dem Kissen. »Ich würde Ihnen gerne meinen Sohn vorstellen.«
    »Wie bitte?« Ms Leeds hatte einen Sohn ?
    »Jetzt habe ich Sie schockiert.« Das Lächeln, das die dünne Haut spannte, wirkte traurig. »Ja. Ich bin … eine Mutter. Es geschah vor sehr langer Zeit und im Geheimen – sowohl die Zeugung als auch die Geburt.
Wir hielten alles unter Verschluss. Mein Vater bestand darauf und hatte damit natürlich Recht. Aber aus diesem Grund habe ich nie geheiratet. Wie hätte ich auch können?«
    Heilige Scheiße! Damals, wann auch immer das genau gewesen sein mochte, bekamen Frauen wohl einfach keine unehelichen Kinder. Und für eine prominente Familie wie die Leeds wäre der Skandal enorm gewesen. Und … Mein Gott! Ms Leeds hatte wohl aus demselben Grund nie einen Sohn in ihrem Testament erwähnt. Sie hatte den Großteil des Anwesens Fletcher hinterlassen. Alte Sitten waren wohl schwer abzuschütteln.
    »Mein Sohn wird Sie mögen.«
    Okay, das ging jetzt aber wirklich zu weit. Wenn die gute Frau mit Anfang zwanzig ein Baby gehabt hatte, musste der Kerl inzwischen siebzig sein! Was Claire jedoch noch mehr gegen den Strich ging als die Altersfrage, war die Tatsache, dass sie sich nie und nimmer prostituieren würde, nur um einen Kunden zu behalten.
    »Ms Leeds, ich glaube nicht …«
    »Sie werden ihm begegnen. Und er wird Sie mögen.«
    Claire versuchte es daraufhin mit ihrer diplomatischsten Stimme, voller Ruhe und Vernunft: »Ich bin davon überzeugt, dass er ein ganz wundervoller Mann ist, aber das brächte mich in einen echten Interessenskonflikt.«
    »Sie werden ihn treffen … und er wird Sie mögen.«
    Bevor Claire es auch noch auf andere Weise als die diplomatische versuchen konnte, kam Fletcher zurück.
Er schob einen großen Servierwagen vor sich her, der mit genügend Silber beladen war, um bei Tiffanys als Schaufensterdekoration dienen zu können. »Darf ich jetzt servieren, Ms Leeds?«
    »Erst nach Durchsicht der Unterlagen, bitte.« Ms Leeds streckte eine ihrer geäderten Hände aus, deren Nägel perfekt manikürt und rosarot lackiert waren. Vielleicht hatte Fletcher ja auch eine Lizenz als Kosmetiker? »Claire, lesen Sie mir bitte vor?«
    Die Änderungen waren nicht sehr kompliziert, und Ms Leeds’ Einverständnis dazu war schnell eingeholt, was den Besuch endgültig absolut überflüssig wirken ließ. Als die alte Dame schließlich mit zittrigen Fingern nach Claires Montblanc-Füllfeder griff und in krakeliger Handschrift »Eliza Merchant Castile Leeds« unter das Testament schrieb, versuchte Claire, nicht an die vier Stunden verlorener Arbeitszeit zu denken.
    Claire beglaubigte die Unterschrift, Fletcher unterzeichnete als Zeuge, und dann wanderten die Papiere wieder zurück in die Dokumentenmappe.
    Ms Leeds hüstelte. »Vielen Dank, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben. Es tut mir leid, dass ich Ihnen damit Unannehmlichkeiten bereitet habe, aber ich weiß Ihre Bereitschaft, mir zu helfen, wirklich sehr zu schätzen.«
    Claire sah die alte Dame an, die in einem Meer aus duftiger weißer Spitze ruhte.
    Das ist ein Totenbett, dachte sie bei sich. Und der Sensenmann wartet schon um die Ecke, wippt ungeduldig mit dem Fuß und blickt auf die Uhr.
    Es war schwer, sich nicht schuldig zu fühlen. Oh
Gott! Da saß sie nun, die knallharte Karrierefrau, und sorgte sich um ein paar verlorene Arbeitsstunden, während es so aussah, als ob Ms Leeds in ihrem Leben insgesamt nur noch wenige Stunden verbleiben würden.
    »Es war mir ein Vergnügen.«
    »Dann lassen Sie uns nun Tee
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