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Vampirsohn

Titel: Vampirsohn
Autoren: J.R. Ward
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sollte, oder wo sie wohnen würden oder was sie zu Abend essen sollten.
    Eliza Leeds hingegen gehörte definitiv zu den Leuten, die eine Frau hauptsächlich über den Mann an ihrer Seite definierten. Daher hatte sich Claire schon auf etwas gefasst gemacht, als sie ihr erklärte, dass sie keinen Ehemann hatte.
    Ms Leeds hatte zunächst etwas erschrocken gewirkt, sich aber rasch wieder gefangen und war dann schnell zu der Frage nach einem festen Freund übergegangen. Die Antwort war dieselbe. Claire hatte keinen Freund und wollte auch keinen, und nein, Haustiere auch nicht. Danach war es längere Zeit still gewesen. Aber dann hatte die Frau gelächelt, einen kurzen Kommentar aus der Richtung »Ach, wie sich die Dinge doch verändert haben« abgegeben, und dann wurde das Thema fallengelassen. Zumindest für den Moment.
    Jedes Mal, wenn Ms Leeds im Büro anrief, fragte sie nach, ob Claire inzwischen einen netten Mann gefunden hatte. Das war ganz in Ordnung. Sie gehörte eben einer anderen Generation an. Und die alte Frau nahm die Neins gnädig hin – vielleicht weil sie selbst nie verheiratet gewesen war. Offensichtlich hatte sie eine nicht ausgelebte romantische Ader oder so etwas Ähnliches.

    Wenn Claire ehrlich war, fand sie den ganzen Beziehungskram todlangweilig. Nein, sie war keine Männerhasserin. Und nein, die Ehe ihrer Eltern war nicht gescheitert. Tatsächlich hatte ihr Vater sie immer unterstützt. Sie hatte weder negative Erfahrungen mit Beziehungen gemacht, ein beeinträchtigtes Selbstwertgefühl oder irgendwelche Erkrankungen, noch war sie jemals Opfer eines Missbrauchs gewesen. Sie war klug, liebte ihre Arbeit, und sie war dankbar für das Leben, das sie führte. Heim und Herd waren einfach nicht ihr Ding. Fazit? Sie respektierte Frauen, die in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter aufgingen, beneidete diese aber nicht im mindesten um ihre Aufgaben. An Weihnachten war sie nicht zu Tode betrübt, nur weil sie alleine war. Sie brauchte auch keine Kindergeburtstage, Zeichnungen am Kühlschrank oder selbst gebastelte Geschenke, um ein erfülltes Leben zu führen. Und Valentinstag und Muttertag waren einfach nur zwei weitere Seiten im Kalender.
    Dafür liebte sie den Kampf im Sitzungszimmer. Das Verhandeln. Die kniffeligen Details des Gesetzes. Das aufregende Gefühl, die Interessen eines Zehn-Milliarden-Dollar-Unternehmens zu vertreten – sei es bei der Übernahme einer anderen Firma, beim Veräußern von Aktivposten oder beim Feuern eines Geschäftsführers, der nicht genehmigte Personalausgaben im achtstelligen Bereich zu verantworten hatte.
    All dies war es, was ihr Spaß machte, und da sie bereits mit Anfang dreißig in ihrem Job auf dem obersten Treppchen stand, hatte sie eine verdammt gute Position inne. Das einzige Problem, das sie hatte, waren Leute, die eine Frau wie sie nicht verstehen konnten.
Was für eine Doppelmoral! Männer durften ihr ganzes Leben der Arbeit widmen und galten dann als attraktive Top-Manager und nicht als einsame alte Jungfern mit Intimitätsproblemen. Warum konnte für Frauen nicht dasselbe gelten?
    Als die Spannbrücke von Caldwell endlich vor ihr auftauchte, wollte Claire nur noch das Treffen hinter sich bringen, anschließend zu ihrem Apartment in der Park Avenue fahren und mit den Vorbereitungen für den Technitron-Showdown am Dienstag beginnen. Mal sehen, vielleicht bliebe sogar genug Zeit, um nochmal ins Büro zurückzukehren.
    Das Anwesen der Familie Leeds bestand aus einem vier Hektar großen Park, vier Wirtschaftsgebäuden und einer Mauer, die sicher nur mit einer Kletterausrüstung und dem durchtrainierten Körper eines Fitnesstrainers zu überwinden war. Das Herrenhaus war ein riesiger Steinkoloss auf einer Anhöhe, eine pompöse Zurschaustellung des Vermögens. Der Komplex war während der Zeit der Neugotik in den 1890er-Jahren erbaut worden. Für Claire sah es wie ein Domizil aus, in dem sich Vincent Price sicher wohlgefühlt hätte.
    Sie fuhr die kreisförmige Auffahrt hinauf, parkte vor dem Eingang, der sie an das Portal einer Kathedrale erinnerte und schaltete ihr Handy auf Vibrationsalarm um. Sie nahm ihre Tasche und ging auf das Haus zu. Dabei kam ihr der Gedanke, dass ein Kreuz in der einen und ein Dolch in der anderen Hand auch nicht unpassend gewesen wären.
    Oh Mann, wenn sie das ganze Geld der Familie Leeds besäße, würde sie in einer etwas weniger düsteren
Umgebung leben und nicht in diesem Mausoleum.
    Eine Seite der Doppeltür öffnete sich, bevor
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