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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss
Autoren: Veronica Wolff
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hegte ich den Verdacht, dass ich es nur mit Alcántaras heimlicher Hilfe bis an die Spitze geschafft hatte. Meine Gegnerin Lilou war seit ihrer Niederlage verschwunden, und ich hatte begonnen, mir Gedanken über meine Zukunft zu machen – mit dem Ergebnis, dass ich besser von hier verschwand, bevor die Vampire ihre Meinung änderten und auch mich auf die Todesliste setzten.
    Ich bemühte mich vorwärtszuschauen, aber meine Gedanken kehrten immer wieder zu der Frage zurück, was mit Lilous Leiche geschehen war, nachdem ich sie besiegt hatte, und ob mir das gleiche Schicksal drohte, falls mein Fluchtversuch tödlich enden sollte.
    Die Acari-Truppe ringsum geriet in Bewegung, und wir spähten wie die anderen in Richtung Strand. Sucher Otto kam näher, einen Stapel Leinensäcke unter dem Arm.
    Ich ließ die Schultern hängen. » Scheiße. Unser zackiger Freund bringt die Sandsäcke mit.« Sandsäcke waren ein angenehmer kleiner Zeitvertreib: Wir füllten mit bloßen Händen Sand in Leinenbeutel, um diese Last dann hoch über den Kopf zu stemmen und im Kreis zu rennen. »Sehr anstrengend und absolut sinnlos.«
    Ein schwaches Lächeln zuckte um Emmas Mundwinkel – was bei meiner rothaarigen Freundin einem herzhaften Gelächter gleichkam. Aber im gleichen Moment wandte sich Otto uns zu, und sie versteifte sich.
    Die übrigen Acari gesellten sich zu uns und ließen sich ordentlich gestaffelt im Sand nieder. Sucher Otto stürmte die Reihe entlang, warf uns die leeren Beutel vor die Füße und raunzte im besten Feldwebel-Ton: »Säcke füllen – los, Marsch!« Das Einzige, was ihm fehlte, um seine Anordnungen zu unterstreichen, war eine Trillerpfeife.
    Er erreichte das Ende der Reihe und machte kehrt. Ich konnte mich nicht beherrschen und murmelte: »Los, Marsch, sonst gibt’s einen Tritt in den Arsch!«
    »Acari Drew.« Eine weiche Stimme ertönte hinter mir.
    O Gott! Zu spät bemerkte ich den Schatten, der auf mich gefallen war. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen, als hätte mich eine eiskalte Brise gestreift.
    Ich warf einen Blick über die Schulter und erschrak, als ich sah, wie dicht Alcántara hinter mir stand, ohne dass ich sein Kommen bemerkt hatte. Der blanke Wahnsinn! In meiner Welt konnte eine solche Unaufmerksamkeit den Tod bedeuten.
    Er stand da, groß, aber nicht übermächtig, mit unergründlichen dunklen Augen und glatten schwarzen Haaren, die den Kragen seiner schwarzen Lederjacke streiften. Ich fand, dass er aussah wie ein cooler, in Marmor gemeißelter Indie-Rocker …
    Ich erhob mich ehrerbietig, so gut es sich in feuchten, sandigen Turnshorts machen ließ. Jetzt erst fiel mir auf, dass alle anderen Acari verstummt waren und selbst Sucher Otto respektvoll schwieg. Sie wussten ebenso gut wie ich, dass das plötzliche Auftauchen eines Vampirs eine Todesdrohung sein konnte. Ich hoffte nur, dass nicht ich das Opfer sein würde.
    Ich räusperte mich und sprach betont langsam, um mich nicht zu verhaspeln. »Master Alcántara.«
    Einer seiner Mundwinkel zuckte zu einem Lächeln hoch, das irgendwie verrucht wirkte, und obwohl meine Haut eiskalt war, spürte ich in meinem Innern eine Hitzewoge aufsteigen. »Acari Drew«, wiederholte er und ließ die Worte auf seiner Zunge zergehen. »Sandsäcke füllen ist nicht nach deinem Geschmack?«
    Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich zermarterte mir das Hirn. Wie sollte ich diese Frage korrekt beantworten? Nein, Sir , und ich war eine Unruhestifterin. Doch, Sir , und ich war eine langweilige Streberin.
    »Plötzlich so still?« Und obwohl Alcántara seine nächsten Worte an Otto richtete, schaute er mir in die Augen und sprach ganz langsam, als wollte er mir eine besondere Botschaft übermitteln. »Sucher Otto, wie mir scheint, spielt Acari Drew nicht mehr gern im Sand.« Sein Lächeln vertiefte sich. »Vielleicht sucht sie eine Aufgabe, die mehr Intellekt erfordert.«
    Hinter meinen Schläfen schrillten sämtliche Alarmglocken. Hatte er meine Gedanken gelesen? Oder war es nur ein unheimlicher Zufall, dass er aussprach, was mir gerade durch den Kopf gegangen war?
    »Ich … ja«, stammelte ich und zweifelte meine Worte sofort wieder an. Was sage ich bloß? Dann kam mir die rettende Idee, und ich überspielte meine flatternden Nerven mit einem kühnen Vorstoß. »Und nein. Ich meine, ich sehne mich nach geistigen und körperlichen Herausforderungen.«
    Alcántara stieß ein lautes Lachen aus, das sehr selbstzufrieden klang. Ich merkte, dass ich knallrot anlief.
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