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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss
Autoren: Veronica Wolff
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mitgenommen, als er sich eingestehen wollte.«
    Emma schüttelte ernst den Kopf. »Er ist das im Gegensatz zu uns gewohnt. Ihr beide seid Freunde. Er wollte, dass du gewinnst.«
    »Freunde?« Ich atmete tief durch. Das war ein gefährliches Wort. Alcántara hatte mich vor Freunden gewarnt. Und außerdem war es nicht gerade eine Freundestat gewesen, wie Ronan mich auf diese Insel gelockt hatte.
    Ich fuhr mir mit den sandigen Fingern durch die Haare und verfluchte das Gedankengewirr in meinem Kopf. Meine Nägel blieben in den ebenfalls wirren Strähnen hängen. Seit Lilou meinen langen Zopf abgefackelt hatte, musste ich mit einer schulterlangen, ständig verfilzten Mähne herumlaufen. »Blöde Haare«, maulte ich.
    Blöder Ronan! Das war es, was ich eigentlich meinte.
    Obwohl wir uns inzwischen mehr oder weniger verbündet hatten, machte mich die Erinnerung an seinen anfänglichen Verrat immer noch wütend. Bei unserer ersten Begegnung hatte er mich berührt, und ich spürte seine Finger immer noch heiß auf meiner Haut. Dabei war der Grund für diese Berührung nicht etwa, dass er sich zu mir hingezogen fühlte. Er hatte vielmehr den Auftrag, mich anzumachen, bis ich total heiß war – und dämlich genug, mich von ihm an Bord eines Flugzeugs ins Nirgendwo abschleppen zu lassen.
    Ich dachte an die nächsten Opfer, die Ronan draußen in der Welt aufsammeln und berühren würde – jede von ihnen garantiert ein heißer Feger.
    » Na großartig«, murmelte ich. »Aber wie dem auch sei, er gurkt jetzt durch die Weltgeschichte und macht sich neue Mädels zu Freunden, die wir dann im Kampftraining fertigmachen, in Fallen locken, von hinten angreifen und schließlich töten werden.«
    Emma starrte mich an. Wenn ihre Lider nicht ein wenig geflattert hätten, wäre sie glatt als Sphinx durchgegangen.
    »Spuck’s aus!«, forderte ich sie auf.
    »Ich glaube trotzdem, dass es irgendwie mit Master Alcántara zu tun hat.«
    Diesmal warf ich einen nervösen Blick über die Schulter. »Bitte, sprich diesen Namen nicht aus! Ich habe Angst, dass er plötzlich aus dem Nichts erscheint, wie Voldemort oder so.«
    In Wahrheit befürchtete ich, dass sie recht hatte. Es ließ sich kaum leugnen, dass Alcántara Gefallen an mir gefunden hatte. Wann immer ich den Vampir dabei ertappte, dass er mich ansah – und ich ertappte ihn ziemlich oft dabei –, war es, als lotete er die Tiefen meiner Seele aus und arbeitete sich durch einen Masterplan, der dort angelegt war.
    Ich kann nicht behaupten, dass mich das alles kaltließ oder dass mir seine Aufmerksamkeit gänzlich unangenehm war. Schließlich wirkte Alcántara immer noch so jung und scharf wie seinerzeit … vor ein paar hundert Jahren. Aber er hatte etwas von einem Panther an sich – geheimnisvoll verführerisch und doch ein Raubtier. Ein Mann, vor dem man sich fürchten und, zumindest nach Ronans Worten, in Acht nehmen musste.
    Emma nickte. »Je unauffälliger du dich verhältst, desto besser.«
    »Das darfst du laut sagen. Aber während unserer Mission werde ich ihm nicht immer ausweichen können.«
    »Weißt du schon, was dich erwartet?«
    »Ich weiß nicht, wohin die Reise geht. Ich weiß nicht, was wir tun werden, und ich weiß nicht, warum wir es tun werden. Alles, was ich weiß, ist, dass ich bis zum Ende des Sommersemesters warten muss. Alcántara besteht auf einem zusätzlichen Training.«
    Was ich Emma nicht verriet, war, dass ich ohnehin nicht allzu viel über die Mission erfahren würde, wenn alles nach Plan lief. Weil ich nämlich beabsichtigte, diesem öden Felseneiland für immer den Rücken zu kehren .
    Richtig. Ich dachte im Moment nur daran, meine Flucht vorzubereiten. Die Flucht, die mir praktisch seit meiner Ankunft vorschwebte, auch wenn ich sie eine Weile aus den Augen verloren hatte, eingelullt durch ein Gefühl der Sicherheit, der Zugehörigkeit. Ich hatte kluge Lehrer, lernte coole Sachen und gewann ein paar echte Freunde, was mir bis dahin nie vergönnt gewesen war. Ich war allmählich zu der Überzeugung gelangt, dass ich im Kreis der Wächter eine Heimat finden könnte, einen Ersatz für die Familie, die ich nie besessen hatte.
    Bis zu unserem Semesterwettbewerb, der mir die Augen geöffnet hatte, welche Spielregeln auf der Insel der Nacht wirklich galten: Töten oder getötet werden. Ich hatte den Sieg errungen, und das lag zum Teil sicher daran, dass ich klüger als die meisten anderen war. Aber ich war nicht stärker als die meisten anderen, und deshalb
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