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Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande

Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande

Titel: Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Autoren: Richelle Mead
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mentalen Barrieren sinken, mit denen ich mich immer wieder unbewusst umgab. Ein großer Druck fiel von mir ab, wie Luft, die aus einem Ballon entwich.
    Und plötzlich war ich von Geistern umringt.
    2
    Wie immer verlor ich die Orientierung. Gesichter und Schädel, durchscheinend und leuchtend, umschwebten mich. Sie wurden zu mir hingezogen und drängelten sich in einer Wolke an mich heran, als müssten sie mir alle unbedingt etwas sagen. Und wahrscheinlich war es auch so – wirklich. Die Geister, die in dieser Welt verblieben, waren rastlos, Seelen, die aus ganz bestimmten Gründen nicht weiterzogen. Als mich Lissa von den Toten zurückgeholt hatte, hatte ich eine Verbindung zur Welt der Geister bewahrt. Es hatte mich viel Arbeit und Selbstbeherrschung gekostet zu lernen, wie ich die Phantome ausblenden konnte, die mir folgten. Die magischen Zeichen, die den Hof der Moroi beschützten, hielten tatsächlich die meisten Geister von mir fern, aber diesmal wollte ich sie hier haben. Ihnen diesen Zugang aber zu gewähren, sie einzulassen .... na ja, es war gefährlich.
    Irgendetwas sagte mir, dass es, wenn es jemals einen rastlosen Geist gegeben hatte, dann eine Königin wäre, die in ihrem eigenen Bett ermordet worden war. In dieser Schar sah ich zwar keine vertrauten Gesichter, doch ich gab die Hoffnung nicht auf.
    „Tatiana“, murmelte ich und konzentrierte mich auf das Gesicht der toten Königin. „Tatiana, kommen Sie zu mir.“
    Früher war ich schon einmal in der Lage gewesen, einen bestimmten Geist mühelos heraufzubeschwören: meinen Freund Mason nämlich, den die Strigoi getötet hatten. Obwohl Tatiana und ich einander nicht so nah waren wie Mason und ich, hatte aber trotzdem eine gewisse Verbindung zwischen uns bestanden. Für eine Weile geschah nichts. Derselbe Nebel von Gesichtern kreiste immerzu vor mir in der Zelle, und allmählich geriet ich in Verzweiflung. Dann aber war sie plötzlich da.
    Sie stand in der Kleidung vor mir, in der sie auch ermordet worden war: einem langen Nachthemd sowie einem blutbefleckten Morgenmantel. Ihre Farben waren blass und flackerten wie auf einem defekten Fernsehbildschirm. Dennoch verliehen ihr die Krone auf dem Kopf und die vornehme Haltung die gleiche königliche Ausstrahlung, an die ich mich erinnerte. Sobald sie erschienen war, sagte und tat sie erst einmal gar nichts. Sie sah mich einfach nur an, und der Blick ihrer dunklen Augen durchbohrte praktisch meine Seele. Mich überkamen die widerstreitendsten Gefühle, dabei wurde mir die Brust eng. Die übliche, rein gefühlsmäßige Reaktion auf Tatianas Nähe – Ärger und Groll – flammte auf, wurde jedoch bald schon von einer überraschenden Woge des Mitleids überschwemmt. Kein Leben sollte ein solches Ende finden wie das ihre.
    Ich zögerte, weil ich Angst bekam, die Wachen würden mich hören. Irgendwie hatte ich jedoch den Eindruck, dass die Lautstärke meiner Stimme keine Rolle spielte und niemand von ihnen sehen konnte, was ich sah. Ich hielt den Brief hoch.
    „Haben Sie das geschrieben?“, hauchte ich. „Ist es wahr?“
    Sie sah mich weiter an. Masons Geist hatte sich damals ganz ähnlich verhalten. Es war eine Sache, Tote heraufzubeschwören, sich mit ihnen zu verständigen aber eine ganz andere.
    „Ich muss es wissen. Wenn es noch einen Dragomir gibt, werde ich ihn finden.“ Es hatte keinen Sinn, sie auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass ich gar nicht in der Lage war, etwas oder jemanden zu finden. „Aber Sie müssen es mir sagen. Haben Sie diesen Brief geschrieben? Ist es wahr?“
    Nur dieser aufreizende Blick antwortete mir. Meine Verzweiflung wuchs, und der Druck, den all diese Geister ausübten, bescherte mir allmählich Kopfschmerzen. Offenbar konnte Tatiana einem im Tod genauso auf die Nerven gehen, wie sie es im Leben getan hatte.
    Ich wollte gerade meine Mauern wieder hochziehen und die Geister wegdrängen, als Tatiana dann doch eine winzige Bewegung machte. Ein schwaches Nicken, kaum wahrnehmbar. Dann richtete sie den Blick auf den Brief in meiner Hand und war verschwunden – einfach so.
    Ich riss meine Barrieren also wieder hoch und schirmte mich unter Aufbietung all meiner Willenskraft gegen die Toten ab. Die Kopfschmerzen ließen zwar nicht nach, aber diese Gesichter verschwanden. Ich setzte mich aufs Bett und starrte blicklos den Brief an. Ich hatte also meine Antwort. Der Brief war echt. Tatiana hatte ihn geschrieben. Irgendwie bezweifelte ich nämlich, dass ihr Geist einen Grund
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