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Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande

Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande

Titel: Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Autoren: Richelle Mead
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hatte zu lügen.
    Ich streckte mich aus, legte den Kopf auf das Kissen und wartete darauf, dass dieses schreckliche Pulsieren verschwand. Ich schloss die Augen, kehrte über unser Band zu Lissa zurück und wollte feststellen, was sie getan hatte. Seit meiner Verhaftung hatte sie meinethalben unermüdlich gefleht und gestritten, also erwartete ich, dass sie jetzt das Gleiche täte. Stattdessen machte sie .... einen Einkaufsbummel.
    Beinahe war ich wegen der Frivolität meiner besten Freundin beleidigt, bis ich begriff, dass sie nach einem Kleid für das Begräbnis suchte. Sie befand sich in einem der versteckten Geschäfte des Hofes, das einer der Lieferanten der Royals leitete. Zu meiner Überraschung war Adrian bei ihr. Der Anblick seines vertrauten Gesichtes linderte die Angst in mir ein wenig. Ein schneller Blick in Lissas Geist verriet mir, warum er bei ihr war: Sie hatte ihn dazu überredet mitzukommen, weil sie nicht wollte, dass er allein blieb.
    Das konnte ich gut verstehen. Er war nämlich vollkommen betrunken. Ein Wunder, dass er sich auf den Beinen halten konnte, und tatsächlich hatte ich den starken Verdacht, dass ihn allein die Wand, an der er lehnte, noch aufrecht hielt. Sein braunes Haar war völlig zerzaust – und zwar nicht so gewollt wie sonst üblich. Seine dunkelgrünen Augen wirkten blutunterlaufen. Wie Lissa war Adrian ein Benutzer von Geist. Er besaß eine Fähigkeit, die sie noch nicht hatte: Er konnte Leute in ihren Träumen besuchen. Seit meiner Einkerkerung hatte ich ihn erwartet, und jetzt verstand ich, warum er nicht gekommen war. Alkohol behinderte Geist. In gewisser Weise war das auch gut so. Der exzessive Gebrauch von Geist erzeugte nämlich eine Dunkelheit, die seine Benutzer in den Wahnsinn trieb. Doch darüber hinaus war es auch nicht allzu gesund, sein Leben in permanenter Trunkenheit zu verbringen.
    Sein Anblick durch Lissas Augen löste eine emotionale Verwirrung in mir aus, die genauso intensiv war wie diejenige bei Tatiana. Er tat mir leid. Er machte sich offensichtlich Sorgen um mich, und die verblüffenden Ereignisse der vergangenen Woche hatten ihn ganz genauso aus heiterem Himmel getroffen wie uns andere auch. Außerdem hatte er seine Tante verloren, die er trotz ihrer Schroffheit sehr gemocht hatte.
    Dennoch empfand ich .... Verachtung. Es war vielleicht unfair, aber ich konnte nicht anders. Er bedeutete mir so viel, und ich konnte seine Bestürzung durchaus verstehen, aber es gab doch wesentlich bessere Möglichkeiten, mit seinem Verlust fertig zu werden. Sein Verhalten erschien mir beinahe feige. Er versteckte sich vor seinen Problemen in einer Flasche, und das ging mir völlig gegen den Strich. Ich? Ich konnte mich meinen Problemen jedenfalls nicht kampflos ergeben.
    „Samt“, erklärte die Ladeninhaberin Lissa mit Überzeugung. Die verhutzelte Moroi hielt gerade ein voluminöses langärmeliges Kleid hoch. „Samt ist traditionell für die königliche Eskorte bestimmt.“
    Über das übliche Tamtam hinaus würde bei Tatianas Begräbnis eine zeremonielle Eskorte neben dem Sarg hergehen, die aus je einem Repräsentanten jeder Familie bestand. Offenbar hatte niemand etwas dagegen, dass Lissa diese Rolle für ihre Familie übernahm. Aber ein Stimmrecht? Das war natürlich eine andere Geschichte.
    Lissa musterte das Kleid. Es sah eher nach einem Halloween-Kostüm aus als nach einem Trauergewand. „Es ist über dreißig Grad warm da draußen“, sagte Lissa. „Und feucht.“
    „Die Tradition verlangt Opfer“, sagte die Frau melodramatisch. „Das Gleiche gilt für die Tragödie.“
    Adrian öffnete den Mund; zweifellos lag ihm eine unpassende, spöttische Bemerkung auf der Zunge. Lissa schüttelte jedoch heftig den Kopf, woraufhin er den Mund hielt. „Haben Sie nichts, hm, Ärmelloses da?“
    Die Augen der Verkäuferin wurden groß. „Niemand hat jemals zu einer königlichen Begräbnisfeier Trägerkleider angelegt. Es wäre unpassend.“
    „Was ist mit Shorts?“, fragte Adrian. „Sind die okay, wenn man dazu eine Krawatte trägt? So wollte ich nämlich hingehen.“
    Die Frau wirkte entsetzt. Lissa warf Adrian einen geringschätzigen Blick zu, weniger wegen der Bemerkung – die fand sie amüsant –, sondern weil seine ständige Trunkenheit auch sie anwiderte.
    „Na ja, niemand behandelt mich wie ein vollwertiges Mitglied der Königsfamilie“, sagte Lissa und drehte sich wieder zu den Kleidern um. „Also muss ich mich doch jetzt auch nicht wie eins verhalten.
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