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Vampir sein ist alles

Vampir sein ist alles

Titel: Vampir sein ist alles
Autoren: Tate Hallaway
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Arten im Angebot: Jadeperlen an Goldketten für Wohlstand, schwere Amethyste an Silberdrähten für einen klaren Verstand und bimmelnde Glasglöckchen, die ... nun ja, die mir einfach nur auf die
Nerven gingen. „Möchtest du eins kaufen?“
    „Nein, ich bewundere sie nur.“
    Ich warf der nächsten Kundin ein entschuldigendes Lächeln zu. Sie kniff missbilligend die Lippen zusammen und funkelte Marge böse an. Ich dachte schon, sie würde sie zur Seite schubsen, doch stattdessen seufzte sie nur übertrieben und hielt mir ungeduldig ein Buch hin.
    Ich schaute auf den Titel, unterdrückte ein spöttisches Grinsen und informierte die Dame, dass Der innere Frieden: Die tibetanische Methode sie 24.99 Dollar kosten würde.
    „Meine Großmutter war eine Hexe“, sagte Marge unvermittelt.
    „Wirklich?“, entgegnete ich höflich.
    „Ja“, sagte Marge, die sich offenbar schon durch das kleinste Anzeichen von Interesse zum Weiterreden ermutigt fühlte. „Famtrad.“
    Famtrad stand für Familientradition, was wiederum heißen sollte, dass sie ihre Hexenkräfte geerbt hatte und auf eine lange Reihe Vorfahrinnen zurückblicken konnte, die die alte Religion nach der Inquisition, der Zeit der Hexenverbrennung, heimlich am Leben gehalten und weitergegeben hatten. Mit der ersten Behauptung hatte ich im Allgemeinen kein Problem, doch was die zweite anging, hatte ich meine Zweifel. In der Hexengemeinschaft herrscht große Uneinigkeit über den Ursprung unserer Religion und darüber, ob sie im zwanzigsten Jahrhundert entstanden ist oder schon seit irgendeinem vorgeschichtlichen Matriarchat ausgeübt wird. Für mich ist das, ehrlich gesagt, nicht von Bedeutung, denn ich bin der festen Überzeugung, dass alle Religionen irgendwann einmal erfunden wurden und dass etwas Neues nicht unbedingt weniger real oder wahr ist als etwas Altes.
    Dass die Macht selbst sehr alt war, bezweifelte ich nicht im Geringsten. Schließlich hatte ich Lilith in meinem Bauch. Es spielte aber keine Rolle für mich, ob SIE zu mir gekommen war, weil es eine alte religiöse Praktik gab, die seit Urzeiten angewendet wurde, oder weil die erste moderne Hexe einfach per Meditation und Zufall den richtigen Knopf gedrückt hatte. Das Entscheidende für mich war, dass es real war. Es funktionierte.
    Mit dieser lockeren Einstellung eckte ich natürlich regelmäßig bei den Hardlinern an. Also lächelte ich nur und nickte Marge zu.
    Der nächste Kunde durchbohrte Marges Rücken förmlich mit seinen Blicken. Er kam bestimmt von auswärts, denn er ranzte sie an, wie es die höflichen Leute im Mittelwesten niemals tun würden. „He, ich habe hier eine Menge Zeug, könnten Sie mal Platz machen?“
    Marge trat erschrocken einen Schritt zur Seite, murmelte eine Entschuldigung und sah mich verlegen an. Ich schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Sie meinte es nicht böse; sie konnte nichts dafür. Marge gehörte offenbar zu den Leuten, die es einfach nicht mitbekamen, wenn sie störten. Ich wollte ihr gerade auf die Sprünge helfen, als sie sagte: „Ich glaube, in meinem letzten Leben war ich Mata Hari.“
    Oookay.
    Nicht dass ich mit Wiedergeburt nichts anfangen konnte - ich war mir hundertzwanzigprozentig sicher, dass Seelen wiederkehrten wie mehrjährige Pflanzen im Frühling. Aber wenn mir jemand erzählte, er sei im früheren Leben eine berühmte oder gar berüchtigte Person gewesen, ging bei
mir immer die kleine rote Fahne hoch. Die meisten von uns waren keine Könige oder Königinnen gewesen. Wenn Seelen recycelt wurden, dann hatten die meisten Menschen ihre früheren Leben ganz ähnlich verbracht wie das jetzige: Sie hatten ein ganz normales, durchschnittliches, arbeitsames Dasein geführt. Und das finde ich persönlich auch völlig in Ordnung. Jedes gelebte Leben ist wertvoll, auch wenn man eine mittlere Führungskraft in den 1930ern war. Man kann immer etwas dazulernen und sein Wissen erweitern. Man muss nicht Kleopatra sein, um ein segensreiches Leben zu führen.
    Nach dieser Anhäufung sonderbarer Äußerungen fragte ich mich, was Marge glaubte mir beweisen zu müssen. Ich wusste bereits, dass sie magische Kräfte besaß. Erstens hatte sie mein verhextes Plakat gesehen, und zweitens hatte ich es an ihrer Aura erkannt.
    Mittlerweile waren es nur noch fünf Minuten bis zum Ladenschluss, und es standen noch drei Leute an der Kasse. Ich setzte also mein allerfreundlichstes, charmantestes Lächeln auf und sah Marge in die Augen. „Hör mal, es tut mir leid. Ich
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