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Vamperl soll nicht alleine bleiben

Vamperl soll nicht alleine bleiben

Titel: Vamperl soll nicht alleine bleiben
Autoren: Renate Welsh
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stützte den Kopf in die Hände.
    »Ja«, sagte sie, »es gibt halt Dinge, da hilft es nicht einmal, wenn man Gift aus der Galle saugen kann. Schlimm! Jetzt weißt
     du, wie es den meisten von uns geht. Man möchte gern helfen und kann so oft gar nichts tun.«
    Hannes ließ sich den ganzen Tag lang nicht mehr blicken.
    Am nächsten Morgen klingelte der Briefträger bei Frau Lizzi.
    »Ich habe da einen Brief für Sie, leiderohne Marke, Sie müssen also Nachporto bezahlen.«
    Sobald der Briefträger gegangen war, flitzte Vamperl heran. Er roch an dem Brief. Er leckte über die Schrift. Er war aufgeregt,
     wie ihn Frau Lizzi noch nie erlebt hatte.
    Sie zog eine Haarnadel aus ihrem Knoten, öffnete den Umschlag und zog ein zerknülltes Blatt heraus. Darauf stand in Großbuchstaben:

    Vamperl küsste das Blatt, schmiegte seine Wange daran, streichelte es und gebärdete sich wie toll.
    »Alles gut und schön«, sagte Frau Lizzi, »aber die Klügste ist sie nicht, deine Vamperlina. Sie hat vergessen ihre Adresse
     zu schreiben.«
    Vamperl wurde böse. Er fletschte die Zähne. Er rammte Frau Lizzis Stirn mit seinem kleinen harten Schädel. Er trug den Brief
     in sein Bett und legte sich darauf.
    Was mach ich jetzt? überlegte Frau Lizzi. Meine Güte, er wird wirklich losziehen und sie suchen.
    Zehn Minuten später kam Hannes. Frau Lizzi erzählte ihm von dem Brief.
    »Wohin ist der Luftballon geflogen?«, fragte er.
    »Nach Osten, so lange ich ihn sehen konnte.«
    Hannes schlug vor die Wetterstation anzurufen. Dort müsste man genau wissen, wie Wind und Luftströmungen an diesem Tag um
     diese Zeit gewesen waren.
    Frau Lizzi nickte. Das Herz wurde ihr schwerer und schwerer.
    Sie gingen zur Telefonzelle.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung war freundlich. Er tippte ihre Angaben in seinen Computer, dann sagte er etwas von Ost-Süd-Ost
     und Thermik und Luftströmungen.
    »Ist Ihnen damit geholfen?«
    »Ehrlich gesagt, nein«, antwortete Frau Lizzi nach kurzem Zögern. »Wir brauchen eigentlich eine Adresse. Wenn ich Ihnen die
     ganze Geschichte erzählen könnte...«
    »Der glaubt bestimmt, wir spinnen«,flüsterte Hannes. »Er ist doch ein Wissenschaftler.«
    Der Mann zögerte nur kurz. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Um zwei Uhr habe ich Dienstschluss, da können wir uns treffen
     und in aller Ruhe reden.«
    »Siehst du, Hannes«, sagte Frau Lizzi auf dem Rückweg, »man muss den Menschen nur Gelegenheit geben, so nett zu sein, wie
     sie gern wären.«
    Kurz vor zwei saßen Frau Lizzi und Hannes in einem kleinen Gartencafé und warteten.

    Kurz nach zwei kam ein Mann mit einem lustigen runden Gesicht. Er steuerte auf Frau Lizzi zu und forderte sie auf zu erzählen.
     Er war ein aufmerksamer Zuhörer. Sogar Vamperl gab sein Herumgehüpfe auf, saß still da und spitzte die Ohren.
    »Das Problem ist, dass wir hier eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten haben«, sagte der Wetterkundler. »Das macht die Berechnung
     schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. An Ihrer Stelle würde ich einen Versuch machen: Schicken Sie doch einfach an einem
     Tag mit vergleichbaren Bedingungen einen zweiten Ballon los und bitten um die Adresse.«
    Vamperl pflanzte sich vor dem Mann auf, schüttelte den Kopf, dass man meinte, er würde abfallen, und zeigte auf seine Brust.

    »Nein!«, rief Frau Lizzi. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
    »Was meint er denn?«, fragte der Wetterkundler.
    »Er will selbst mitfliegen! Das schlag dir aus dem Kopf.«
    Der Wetterkundler bekam einen fernen Blick, zog einen Zettel heraus, rechnete, kaute an seinem Bleistift und sagte schließlich:
     »Man müsste einen kleinen Korb an den Ballon hängen und die Größe des Ballons dem Gewicht anpassen. Ich könnte mit einem Freund
     reden, der auf Fledermäuse spezialisiert ist. Vamperl bekäme einen Ring ans Bein, wir könnten sämtliche Beobachtungsstationen
     auf der Strecke verständigen, damit er Hilfe bekommt, wenn er sie braucht. Vielleicht lässt sich sogar ein winziger Sender
     einbauen.«
    Es machte dem Mann jetzt offensichtlich richtig Spaß, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.
    Frau Lizzi begann an ihren Knöcheln zu kauen.
    Vamperl wirbelte herum, tanzte, hüpfte, streichelte die roten Haare auf dem Handrücken des Wetterkundlers.
    »Wenn das so weitergeht«, sagte Frau Lizzi, »fliegst du überhaupt nirgendwo hin, weil du vorher überschnappst.«
     
    Die nächsten Tage waren schwer auszuhalten. Vamperl konnte nicht einen Moment ruhig bleiben,
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