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Valentine

Valentine

Titel: Valentine
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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schwarzen Jalousien versehen. Um das Haus herum führte eine kurze Gasse, zu einem Seiteneingang, der etwas versteckt hinter einer Efeuhecke lag.
    Zielstrebig ging Channing auf die Tür zu und stieg die vier Stufen hinauf. Einer Eingebung folgend griff er über die Tür und fand, wonach er suchte: einen kleinen goldenen Schlüssel, der genau in das Schloss passte. Zögerlich betrat er das Haus. Sein Instinkt sagte ihm, dass es leer war. Er benötigte noch nicht einmal Licht, um sich umzusehen, denn obwohl es stockfinster war, erkannte er alle Umrisse so klar und deutlich, als wäre es heller Tag.
    Er durchquerte die Küche und gelangte über einen kleinen Flur in das Wohnzimmer. Neben der Eingangstür gab es eine Treppe, die in die obere Etage und ebenso in den Keller führte, vermutlich in die Garage. Er ließ seinen Blick durch die Räume streifen in der Hoffnung, dass ihm irgendetwas bekannt vorkam.
    Aber er sah sich getäuscht. Nichts deutete darauf hin, dass er schon einmal hier gewesen war. Doch eine innere Stimme sagte ihm, dass er an diesem Ort genau richtig war. Es fühlte sich wirklich an, im Flur zu stehen und sein Gepäck und seinen Mantel abzulegen, als würde er hierhergehören. Aus Gewohnheit schaltete er das Licht an und begann, langsam im Wohnzimmer umherzuwandern. Alles, was er sah, trug deutlich die Handschrift einer Frau. Seiner Frau?
    War dies das Haus, in dem er mit seiner Familie lebte? Channing schaute auf seine Hände. Am linken kleinen Finger trug er einen silbernen Siegelring, aber das musste nichts bedeuten.
    Weiße luftige Vorhänge zierten die vielen Fenster und gaben dem Raum eine helle, freundliche Note. Neben der Fensterfront, die zur Straße hinausging, stand an der Wand ein altes Klavier, darauf einige gerahmte Fotos. Sie zeigten eine Frau mit flammend roten Haaren, die ihr in großen Locken über die Schultern fielen. Sie sah einfach atemberaubend aus, mit ihrem hellen Teint, wie Porzellan. Die Augen waren grün, wie die Tiefe des Meeres an einem stürmischen Tag. Die kleine Nase kontrastierte mit ihren sinnlich vollen Lippen, die wie reife Himbeeren schimmerten.
    Obwohl er keine Erinnerung an diese Frau hatte, wünschte sich Channing, sie zu kennen. Ein leises Knurren entfuhr seiner Brust, dann seinem Mund und er spürte, dass sich sein Pulsschlag beschleunigte.
    Das nächste Foto zeigte die gleiche Person, nur dass die Aufnahme mehr als hundert Jahre alt zu sein schien. Die Frau blickte streng, ihr Blick war in der Ferne gerichtet. Der Stil ihrer dunklen und geschlossenen Kleidung wies in eine längst vergangene Epoche. Sie sah der Frau mit den roten langen Haaren zum Verwechseln ähnlich, vermutlich war sie ihre Großmutter. Ein weiteres Foto zeigte wiederum die junge Frau mit einem Mann, der die identischen feinen Züge aufwies, nur hatte er schwarzes Haar. Er mochte höchstens zwanzig Jahre sein und war unverkennbar ihr Bruder: das gleiche Lächeln, dieselbe stolze Haltung.
    Als Channing das Foto genauer betrachtete, durchfuhr ihn wieder dieses Wissen, das Gefühl der Verbundenheit, wie er es schon im Krankenhaus gespürt hatte, als er aus dem Koma erwacht war. Ein Luftzug umwehte seinen Körper, so als berührte ihn die leichte Brise eines luftigen Sommertages. Er blickte sich um, doch er konnte nichts und niemanden entdecken.
    Die Schafzimmer befanden sich im Obergeschoss. Zu seiner Überraschung las Channing an einer der Türen auf einem Briefumschlag seinen Namen. Er nahm den Umschlag an sich, der eine kurze Notiz enthielt.
    › Hallo, Mr McArthur! Dieses Zimmer habe ich für Sie hergerichtet. Ich hoffe, dass Sie sich in meinem Haus wohl fühlen, und wünsche Ihnen erfolgreiche Wochen in Seattle! ‹
    Unterschrieben war die Mitteilung mit S. Keane. Channing stieß die Tür auf und trat ein. Die Einrichtung des Raums hatte eine eindeutig männliche Note. Er war spartanisch mit einem Schrank und einem großen Bett aus Ebenholz eingerichtet, dunkelgrüne Seidentapeten zierten die Wände, und schwarze Samtvorhänge verbargen das einzige Fenster. Er legte seine Sachen auf dem Bett ab und zog die Vorhänge zur Seite, um einen Blick auf das Meer zu werfen. Von hier aus konnte man sogar einen Teil der Bucht einsehen. Er stützte seinen Unterarm auf das Fensterkreuz und blickte eine Weile in die Dunkelheit.
    Dieses Nichtwissen brachte ihn zur Raserei. Er brauchte Antworten, und zwar schleunigst. Zwar hatte er erfahren, was mit ihm geschehen war, aber dies war nur ein kleiner Teil
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