Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Valentine

Valentine

Titel: Valentine
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
Vom Netzwerk:
des Puzzles, das er zusammensetzen musste. Was war mit seinem Körper passiert? Wer war diese Frau, in dessen Haus er sich befand? Auf all diese Fragen hatte er im Moment keine Antworten. Wutentbrannt schlug er mit seiner Faust so hart gegen den Fensterrahmen, dass die Scheibe klirrte.
    Das angrenzende Bad war sehr modern gestaltet. Channing machte sich daran, seine Sachen auszupacken. Er wusste nicht, wohin, also schien es ihm zunächst das Klügste, erst einmal hierzubleiben. Schließlich musste es eine Bedeutung haben, wenn sein Name an der Zimmertür stand. Beim Einräumen seiner persönlichen Sachen fiel ihm wieder der Rasierer in die Hände, und er begutachtete seine Wange eingehend, auf der keine Spur eines Schnittes mehr zu sehen war. Nachdenklich betrachtete er den Rasierapparat. Blitzartig durchschoss ihn ein Gedanke, und er fuhr mit der Klinge die Innenseite seines Unterarms entlang. Langsam und äußerst vorsichtig ritzte er die Haut ein.
    Sofort quoll dunkelrotes Blut aus der kleinen Wunde. Der Duft stieg ihm in die Nase und aktivierte seine animalischen Sinne. Er spürte, wie der Lebenssaft durch seinen Körper rauschte und die Reißzähne in seinem Mund wuchsen. In seiner Brust breitete sich ein lautes Grollen aus, und der Drang, es aus seiner Kehle zu lassen, wurde übermächtig.
    Der Schnitt war nicht tief, und wie von Geisterhand begannen sich die Ränder anzuheben, und die Wunde sich langsam zu verschließen.
    Channing gab dem Drängen nach und brüllte auf. Es war ein verzweifeltes Brüllen. Ein Brüllen der Ohnmacht und Hilflosigkeit, als auch der Macht und Stärke.
    Erschöpft ließ er sich auf dem Rand der Badewanne nieder. Wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte ...
    Langsam begann er wirklich, an seinem Verstand zu zweifeln. So etwas gab es nur in Filmen, er hatte in Romanen darüber gelesen, aber es war immer nur Fiktion, alles war frei erfunden.
    Ihm wurde die Luft zu dünn. Er musste hier raus.
    Mit schnellen Schritten eilte er die Stufen ins Erdgeschoss hinunter und floh durch die vordere Haustür ins Freie. Ohne innezuhalten, folgte er dem schmalen Trampelpfad, der zur Klippe führte. Kurz vor seinem Ende blieb er stehen. Mit geballten Fäusten stand er am Abgrund und schaute auf das dunkle Wasser hinunter.
    Es war eiskalt, aber er spürte diese Kälte nicht. Die Klippe ragte hoch über dem Meer auf und diese galt es zu überwinden, um all das Unfassbare hinter sich zu lassen.
    Wie von Sinnen raufte er sich die Haare und stieß seinen Atem aus, der in kleinen weißen Wolken dem Himmel entgegenstieg.
     
    »Du wirst es nicht schaffen.«
    »Die Frage ist doch, ob ich das überhaupt will!« Er sprach mit sich selbst. Ein Anzeichen dafür, dass er dabei war, vollends den Verstand zu verlieren.
    »Das meine ich nicht.« Ein schwarzer Schatten löste sich aus der noch dunkleren Nacht. Er hatte auf einem der großen Steine gesessen, die den Pfad zur Klippe säumten.
    »Du wirst es nicht schaffen, dich zu töten, es sei denn, du wärst in der Lage, dir selber den Kopf abzutrennen. Doch das wird dir nicht gelingen. Also versuche es erst gar nicht. Ich habe keine Lust, deinen Arsch aus dem kalten Meer zu fischen, bevor es ein anderer tut.«
    Channing schaute dem Mann in die Augen und las darin, dass er noch nie etwas ernster gemeint hatte. Sein Gesicht kam ihm bekannt vor. Er hatte es auf dem Foto auf dem Klavier entdeckt. Doch hier draußen, in seinem schwarzen Pullover, Cargohose und den schweren Kampfstiefeln, sah er älter aus als auf dem Foto. Aber am imposantesten waren die beiden Schwerter, die er auf dem Rücken trug.
    »Lass mich in Ruhe. Du hast ja überhaupt keine Ahnung, was mit mir los ist. Du solltest dich lieber vor mir in Acht nehmen«, zischte Channing ihn wütend an.
    Ein leises Lachen drang aus dem Mund des jungen Mannes.
    »Oh Mann, jetzt habe ich aber Angst! Du bist derjenige, der sich in Acht nehmen sollte. Aber lassen wir dass. Ich bin Shia. Gehen wir zurück zum Haus, bevor uns noch jemand sieht.«
    Er berührte Channing leicht an der Schulter und ging voraus. Channing folgte ihm wortlos und sah, wie die großen Schwerter das Mondlicht reflektierten.
    »Du hättest die Vordertür nehmen können, sie ist nie abgeschlossen«, erklärte Shia, als er die Stufen hinaufstieg.
    »Du hast mich beobachtet?« Channing schaute ihn überrascht an.
    »Unabsichtlich. Ich war im Haus, als du ankamst«, sagte er knapp. Also hatte er sich doch nicht getäuscht.
    »Warum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher