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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten
Autoren: Waldtraut Lewin
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doppelt und dreifach verrammelt. Es ist die Nacht vor dem Beginn unseres Neujahrsfestes, das wir Juden, anders als Christen und Muslime das ihre, im Monat Tischri feiern, im September des christlichen Kalenders.
    In den Nächten vor unseren hohen Feiertagen kommen sie am liebsten.
    Und wieder haben sie es abgesehen auf unsere Wohnstatt. Auf meine Wohnstatt.
    Denn ihnen geht es nicht nur darum, ein paar reiche Juden auszuplündern. Es geht immer wieder auch darum, Kasmuna bint Ismael zu erschrecken und zu bedrohen.
    Wer in Cordoba weiß nicht, dass ich in einem Verhältnis zu Prinzessin Valada stehe, das weit über eine Freundschaft hinausgeht?
    Wenn sie unterwegs sind, so ist es sicher, dass sie hierher kommen. Sie stehen vor diesem Haus und brüllen meinen Namen und versehen ihn mit unflätigen Attributen, die ich nicht wiederholen mag. Ein Weib wie ich, ein Weib, das »wider die Natur« sündigt . . . Schlimmer kann es nicht kommen für sie.
    Und noch ein Zweites: Wenn man Kasmuna bedroht, zeigt man, was man von der Prinzessin hält.
    Die Prinzessin, an die sie sich nicht heranwagen.
    Meine Familie sitzt schreckensbleich da jedes Mal und tut so, als würde sie nicht verstehen, mit welchen Worten man mich beschimpft . . .
    Natürlich haben sie es auf die Häuser der Reichen abgesehen, denn nur Erniedrigen und Verletzen und Zerschlagen genügt nicht. Man muss auch plündern können. Und welch ein Glück für sie: Hier trifft beides zusammen. Ein unkeusches Weib, eine Jüdin, die im Reichtum lebt!
    Jeden Tag danke ich dem Herrn, dass mein Vater   – obwohl er es auch nicht in Worte fasst   – meine Neigung duldet. Er duldet sie, weil er mich liebt. Und weil er die Omayadenverehrt. Anders als die Mitglieder unserer Gemeinde, die wohl nur aus Achtung vor ihm davon absehen, mich öffentlich zu verdammen, und mich meistens scheel und verächtlich von der Seite ansehen.
    Mein Vater, Ismael Ibn Jeschulla, dessen jüngste Tochter ich bin, ist hoch angesehen bei den Unseren. Und er war ein Freund des großen Al Hakam   – das Andenken des Gerechten sei gesegnet   –, des Letzten unter den Omayaden, der Segen über unsere Stadt Cordoba brachte (anders als der feige und träge Vater meiner Prinzessin und dessen Nachfolger). Der Stamm der Omayaden aber und ihres Anhangs insgesamt ist nun einmal der verhasste und gefürchtete Feind unserer neuen Herrscher und deren Helfershelfer, der Berber . . .
    Bisher ist es auch noch niemals gelungen, bei uns einzudringen. Denn mein Vater ist ein vorausschauender Mann. Als reicher Jude hat er fest bauen lassen. Unsere Türen sind aus uralter Eiche, die Feuer und Äxten widerstehen so gut wie Stein, und haben Beschläge aus Eisen.
    Aber die Furcht bleibt.
    Da stehe ich nun, ausgeschlossen aus der Freude der Nacht und voller Angst, und lege mir das breite Band aus unzähligen Fäden von Goldfiligran um, das meinen langen Hals von den Schultern bis zu den Ohren umspannt, als wäre es das Koller eines Jagdhundes. Mein Gesicht   – viel Nase, viel Stirn, großer Mund und Riesenaugen   – schwebt über dem Schmuck, zu blass, zu zart. Es passt nicht.
    Würde ich so zu ihr gehen wollen, zu der Frau, die ich liebe?
    Ich nehme die Kette ab, lege sie beiseite, greife zu dem Perlenband, einem Geschenk Valadas.
    Besser so. Lotosblumen gleich. Kasmuna, meine Lotosblume, so nennt mich die Prinzessin, bei der ich heute nicht sein darf, weil mein Vater die Familie beieinander haben will, so wie sich eine Herde zusammendrängt, wenn der Wolf sie umkreist. Er duldet keine Ausnahme.
    Von draußen, gedämpft durch die armdicken Mauern und die verriegelten Fenster und Türen, dringt ein Murmeln und ein tiefer Laut wie von Tieren herein. Schwillt ab, verstummt. Steigert sich dann zum Gebrüll.
    Sie sind da, die Jäger. Nicht ein einzelner Wolf, ein ganzes Rudel knurrt um unser Heim.
    Ich lege beide Hände auf die Perlen um meinem Hals. Sie spenden mir Kühle, und wenn ich die Augen schließe, kann ich mich für einen Moment wegträumen in Valadas Haus, wo ich jetzt sitzen könnte   – aber gewiss nicht heiter mit den anderen, weil meine Gedanken hier wären, bei dem, was Schreckliches geschehen könnte. So schwanke ich hin und her auf der Wippe meiner Gefühle.
    Meine Mutter ruft nach mir, laut, ihre Stimme ist schrill. Sie fordert, dass wir zusammen sind, wenn die da draußen versuchen, die Haustür einzuschlagen, damit wir einander im Arm halten können.
    Viele Schritte auf den Treppen; meine
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