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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten
Autoren: Waldtraut Lewin
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durch die Straßen laufe, wäre gefundenes Fressen für sie. Freiwild. Blutopfer.
    Es war ein Fehler, an diesem Tag unbedingt zu meinem Vater, dem Feigenhändler, zu gehen. Seit meine Mutter tot ist, fühle ich mich genötigt, ihn hin und wieder zu besuchen und nach dem Rechten zu sehen. (Die alte Sklavin, die das Haus betreut, taugt nicht viel. Eine gute Tochter hat nun einmal die Pflicht, ihrem Herrn und Vater zu dienen und zu gehorchen und seine Wünsche zu erfüllen. Aber jeder dieser Besuche kostet mich viel Überwindung. Was er manchmal von mir fordert, behagt mir wenig.)
    Valada, meine Prinzessin, hatte mich gewarnt. »Begib dich nicht in die Nähe derer, die ihren Weibern schwarze Tücher vors Gesicht hängen! Du bist es nicht mehr gewohnt, dich zu verstellen, sie werden dich erkennen, selbst wenn du dich von Kopf bis Zeh verschleierst. Deine Art, dein Bein vorzustrecken und die Brust, zu gestikulieren und mit erhobenem Haupteinherzugehen   – sie wittern dich! Sieh dich vor, mein kleines Weibchen! Geh nicht allein aus und erst recht nicht nachts.«
    Mein kleines Weibchen, so nennt sie mich in den Stunden der Zärtlichkeit, wenn wir drei Dichterinnen-Schwestern   – Valada, Kasmuna und ich   – unsere Spiele miteinander treiben. (Im Dreigestirn ein Stern zu sein, ist manchmal nicht einfach, Eifersucht bleibt nicht aus. Seit Ibn Zaydun aus dem Weg geräumt wurde, ist alles viel leichter.)
    ». . . und erst recht nicht nachts!«
    Das ist so dahingesagt.
    Denn natürlich bin ich doch nachts unterwegs. Ich muss zurück zu ihr. Sie trägt ihre Verse vor, neue Verse, heißt es. Sie hat an einem der Dichterwettstreite, die Fürsten der Nachbarreiche manchmal veranstalten, teilgenommen. Nicht des Lohnes wegen, nein! Meiner Herrin genügt der Ruhm   – und natürlich hat sie gewonnen. Nun feiert sie heute Abend mit einem Fest diesen Sieg.
    Nicht ohne mich! Ich laufe, ich fliege durch die Finsternis.
    Ein Glück, dass die Bärtigen nicht bereit sind, leise zu verfahren. Sie müssen lärmen, Angst und Schrecken im Voraus verbreiten. Man hört ihren Trupp immer schon ein paar Straßenzüge weiter. Sie schlagen drohend gegen die Wände und Türen längs ihres Weges, schlagen mit den Holzknüppeln, mit denen sie auf »schamlose Weiber« einprügeln werden, und mit den Stielen ihrer Äxte. Mit Äxten verschaffen sie sich auch Zutritt in die Häuser von »Gottesleugnern«, welcher Art auch immer. Und sie geben sich alle Mühe, mit tiefen und groben Stimmen zu sprechen, um ihre Männlichkeit zu betonen; als wenn es bei denen darauf ankäme, wie sie sprechen!
    Anders bei anderen. Ibn Zaydun zum Beispiel, der hatte eine Stimme wie knisternde Seide, und wenn er seine Poesien vortrug, schmolz man dahin und kriegte feuchte Schenkel. ImBett jedoch, das sagt unsere Prinzessin, da war er gar nicht sanft. Da war er wie ein Bock, der eine ganze Herde stoßen kann.
    Ich muss lächeln beim Gedanken an die freche Sprache meiner Prinzessin   – obwohl, dazu habe ich beigetragen! Ich, die Tochter des Feigenhändlers aus dem Marktviertel, war nie gewohnt, ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
    Mein Vater wusste das fürs Geschäft zu nutzen. Vor Jahren, als die Strenggläubigen, diese Berber, noch nicht die ganze Stadt so sehr tyrannisierten wie jetzt, als noch ein bisschen Luft blieb für Freude und Heiterkeit, platzierte er mich an seinem Stand zwischen den reifen Früchten, und ich lockte die Kunden an. Zwar trug ich den Litham, den Gesichtsschleier, aber meine üppigen Brüste hüpften fast aus dem knappen Jäckchen, und ich bog die Schultern nach hinten und drehte mich hin und her, während ich das ohnehin anstößig geformte Obst anpries; die Schale, spielend zwischen grün, weißlich und tief violett, ist so weich wie die Haut eines Kindes, und ich hielt in jeder Hand eine halbierte Frucht, deren Inneres blutrot schimmerte   – wie sich die Männer in ihren Träumen wohl den frisch geöffneten Schoß eines Mädchens vorstellen.
    Und dazu war mir ein Verschen eingefallen, mein erster Vers überhaupt. Ich kann mich nicht mehr genau an seinen Wortlaut erinnern, aber es ging darum, dass meine eigene Feige wohlverschlossen sei, diese in meinen Händen aber erbrochen, und jeder könne deren Süße kosten.
    Das kecke Sprüchlein zusammen mit meinen schönen Titten trug uns reichlich Kundschaft ein   – und mir die Gunst meiner Prinzessin.
    Denn Valada erschien auf dem Markt, einer Mode folgend, der viele Damen aus reichem Haus
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